Bislang gilt die Regel, dass Briefe innerhalb von einem, maximal von zwei Tagen nach Aufgabe vor der letzten Tagesleerung ausgeliefert werden müssen. Dies sei, so der zustände Vorstand der Deutschen Post, Tobias Mayer, auch ökologisch nicht mehr zu rechtfertigen. Denn um diese Vorgaben einzuhalten, würden viele Briefsendungen nachts mit Flugzeugen transportiert. Das wolle man künftig vermeiden.
Die politisch Verantwortlichen in Berlin schalteten sofort auf Empörung. Die Post sei eh schon zu schlecht und zu teuer und jetzt wolle sie noch langsamer werden. Diese vorhersehbare Reaktion entspricht ganz der Kurzatmigkeit des gegenwärtigen Politikbetriebes. Doch dürfte sie bei der Post für ziemliche Aufregung sorgen.
Das wäre vermeidbar gewesen. Während manche Minister in Berlin mit Beraterhonoraren nur so um sich werfen, haben die Verantwortlichen bei der Post daran wohl allzu sehr gespart. Und so ist ihnen entgangen, dass die langsamere Briefbeförderung eigentlich eine geniale Marketingidee sein könnte.
Neudeutsch würde ein Marketingberater vom USP sprechen. Hinter der Abkürzung verbirgt sich der „Unique Selling Point“, der ein Produkt unwiderstehlich machen soll. Demnach ist die Langsamkeit der Briefe ihr „Alleinstellungsmerkmal“. In einer Zeit der immer schnelleren elektronisch versandten Nachrichten sind Briefe so etwas Ähnliches wie die unberührte Natur, nach der sich alle Pauschalreisenden sehnen. Denn sie enthalten etwas ähnlich Unberührtes: Zeit, die nicht im hektischen Jetzt kleingehackt wurde.
Man sollte allerdings unterscheiden zwischen Briefen und anderen Postsachen wie Rechnungen, die wie Briefe versandt werden. Rechnungen sind keine Briefe, auf die der Empfänger sehnsüchtig wartet. Der Brief aber hat seine eigene Magie. Wer einen Brief schreibt, befindet sich in einem anderen Modus als beim Tippen von Nachrichten. Er übt grössere Sorgfalt und er weiss, dass der Empfänger nicht unmittelbar erreicht wird. Die Zeit schafft Distanz und zugleich Intimität.
Dafür ist die gute alte Post unverzichtbar – ob mit kürzeren oder etwas längeren Zustellzeiten. In Frankfurt haben sich jetzt Schriftsteller mit dem Wahn auseinandergesetzt, grundsätzlich das Neue und das Schnellere für das Bessere zu halten. So fragte Jochen Schmidt, der den Roman „Schneckenmühle“ geschrieben hat, warum ein funktionierender Wasserkocher unbedingt gegen ein Gerät voller anfälliger Elektronik eingewechselt werden müsse, das sich dann noch mit „dem Internet der Dinge“ verbinde. Und warum muss das alte Festnetztelefon, Schmidt nannte es „Omifon“, unbedingt gegen ein Handy mit Überwachungssoftware ausgewechselt werden? Vielleicht sollte die Post einmal ein paar Schriftsteller zu sich einladen.