Vor 100 Jahren, am 24. Juni 1922, wurde Walther Rathenau ermordet. Er bekleidete damals das Amt des deutschen Aussenministers, aber für seine Feinde war er in erster Linie das Gesicht alles dessen, was sie an der Weimarer Republik hassten.
Walther Rathenau war ein Intellektueller durch und durch. Er verfasste mehrere zeitdiagnostische Bücher, verkehrte in Kreisen der Dichter und Denker und war ein Ästhet, der es sich leisten konnte, in einem Schloss zu wohnen. Zugleich war er Naturwissenschaftler und Ingenieur mit Schwerpunkt Maschinenbau. Sein Vater hatte die «Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft» AEG gegründet. Dort war er Aufsichtsratsmitglied.
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, wurde der gebürtige Jude Rathenau Leiter der Rohstoffabteilung im Kriegsministerium. Noch im Oktober 1918 hat er sich gegen ein Waffenstillstandsangebot ausgesprochen. Trotz seiner beachtlichen Karriere fühlte er sich stets als «Bürger zweiter Klasse». Nach dem Kriegsende wurde er als Mitglied der linksliberalen «Deutschen Demokratischen Partei» zum Leiter des neu geschaffenen «Wiedergutmachungsministeriums» ernannt. Am 31. Januar 1922 wurde er Aussenminister. In dieser Eigenschaft unterschrieb er den Vertrag von Rapallo, obwohl er die darin festgelegten Sonderbeziehungen mit Russland skeptisch sah.
Walther Rathenau liess niemanden unberührt. Robert Musil nahm ihn als Vorbild für die Gestalt des Dr. Arnheim in seinem «Mann ohne Eigenschaften». Während bei Musil die Ironie blühte, loderte auf der Rechten der Hass. Am 24. Juni 1922 wurde Rathenau auf seiner Fahrt von seiner Villa in Berlin Grunewald ins Aussenministerium von dem 23-jährigen Studenten Erwin Kern und dem 26-jährigen Maschinenbauingenieur Hermann Fischer mit Schüssen und einer Handgranate ermordet. Hinter diesen beiden Attentätern standen weit verzweigte rechts-nationale Kreise, zu denen zum Beispiel auch Ernst von Salomon gehörte, der zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt wurde.
(J21)