Die Italienerin Eleonora Duse, die vor hundert Jahren starb, hat das moderne Theater entscheidend mitgeprägt. Zusammen mit Sarah Bernhardt gehört sie zu den grössten Theaterschauspielerinnen ihrer Zeit. Bekannt wurde sie nicht nur durch ihre Kunst, sondern auch durch ihre Affären.
Geboren wurde Eleonora Giulia Amalia Duse am 3. Oktober 1858 in der Lombardei. Sie stammte aus einer Schauspielerfamilie. Ihr Vater zog mit einer Komödiantentruppe von Ort zu Ort. Schon mit vier Jahren stand Eleonora zum ersten Mal auf der Bühne. Bald wurde sie zum Star und war der Auffassung, dass Schauspielkunst nicht erlernbar, sondern angeboren ist. Meist verkörperte sie moderne, willensstarke Frauen. Im Gegensatz zu ihrer 14 Jahre älteren französischen Konkurrentin Sarah Bernhardt verzichtete «die Duse» auf exaltierte Gestik, auf Schminke und auf Masken. Theatralische Posen lehnte sie ab. Damit stiess sie zunächst auf Unverständnis beim Publikum und bei Kritikern. Später wurden ihre puristischen Stilmittel immer häufiger gelobt. Sie setzte sich über die damals geltenden schauspielerischen Konventionen hinweg und fand ihren eigenen Stil.
Bald reihten sich Erfolg an Erfolg. Ein Südamerikatour brachte ihr den endgültigen Durchbruch. Kritiker nannten sie «Theatergöttin». Es folgten viele, teils komplizierte, teils im Geheimen gelebte Affären, Ehen und Liebesbeziehungen.
Auch in Russland wurde sie gefeiert. Anton Tschechow schrieb an seine Schwester «Welch’ eine wunderbare Schauspielerin! Ich habe noch nie zuvor etwas Gleichartiges gesehen.»
Sie war befreundet mit zahlreichen Malern und Schriftstelllern, unter anderem mit Rainer Maria Rilke und Hugo von Hoffmannstahl. George Bernard Shaw, auch Theaterkritiker, stellte ihre Kunst über jene von Sarah Bernhardt. Das «Time»-Magazin» widmete ihr eine Titelstory und hob sie als erste Frau auf die Frontseite.
Belastend war ihre Beziehung zu dem fünf Jahre jüngeren italienischen Schriftsteller Gabriele d’Annunzio. Sie setzte ihre ganze Kraft und einen grossen Teil ihres Geldes ein, um d’Annunzios Stücke zum Erfolg zu verhelfen. Die Beziehung endete tragisch. D’Annunzio betrog und verspottete seine einstige Geliebte, die dann in eine lange, schwere Depression geriet. Später wurde d’Annunzio als Wegbereiter für den italienischen Faschismus bekannt.
Ein später Versuch von Eleonora Duse, im aufkommenden Stummfilm Karriere zu machen, scheiterte. Sie starb am 21. April 1924 in einem Hotelzimmer in Pittsburgh (Pennsylvania).