Vor fünfzig Jahren, am 12. September 1974, wurde der äthiopische Kaiser Haile Selassie durch einen Militärputsch gestürzt. Er war eine der prägenden und eindrucksvollsten politischen Gestalten Afrikas in Zeiten der Umbrüche und der Modernisierung.
Seine Herkunft reicht tief in die Geschichte zurück: Haile Selassie war Mitglied des Hauses Salomon, das seine Abstammung auf Kaiser Menelik I. zurückführt, den Sohn des jüdischen Königs Salomon und der Königin von Saba. Trotz der tiefen Verwurzelung in der Tradition setzte sich Haile Selassie für tiefgreifende politische und soziale Reformen ein. So gab er Äthiopien im Jahr 1931 die erste schriftliche Verfassung und schaffte die Sklaverei ab.
Als Mussolini 1935 Äthiopien überfiel, ging er nach England ins Exil, reiste aber schon 1940 in den Sudan, um von dort aus an der Befreiung Äthiopiens mitzuwirken. Schon 1941 konnte er nach Addis Abeba zurückkehren.
Als im Jahr 1945 die Vereinten Nationen gegründet wurden, gehörte Äthiopien zu den Gründungsmitgliedern. Und 1963 war Haile Selassie Mitbegründer der Organisation für Afrikanische Einheit und wurde ihr erster Vorsitzender.
Haile Selassie genoss innerhalb und ausserhalb Afrikas höchstes Ansehen. 1963 führte er bei der Beisetzung John F. Kennedys neben Charles de Gaulle die Versammlung der ausländischen Würdenträger an. Sein hohes Ansehen hatte aber auch skurrile Seiten. Denn die Wurzeln seiner Abstammung reichten bis in die Rastafari-Religion Jamaikas. Als er am 21. April 1966 erstmals Jamaika besuchte, fand eine lange Trockenzeit ihr Ende. So wurde er als Messias gesehen und gefeiert.
Mit dem Beginn der 1970er Jahre allerdings wurden die Grenzen seines Wirkens sichtbar. Denn er war zu keinen Reformen bereit, die seine Machtfülle als Kaiser begrenzt hätten. Es kam zu Protesten von Studenten und auch die Landbevölkerung begehrte auf, weil die Nahrungsmittelversorgung nicht ausreichte. So kam es im Jahr 1974 am 12. September zu einem Militärputsch, der im Zeichen des Marxismus-Leninismus stand.
Sein Lebensende ist bis heute mysteriös. Nach dem Putsch wurde Haile Selassie in einem Seitenflügel des Palastes unter Hausarrest gestellt. Er sei geistig verwirrt gewesen, heisst es. Am 27. August 1975 wurde er in seinem Bett tot aufgefunden. Sein Grossneffe, Asfa Wossen Asserate, Wirtschaftsberater und bekannter Autor, schrieb in seinen «Erinnerungen», dass Haie Selassie mit einem Kopfkissen erstickt worden sei. Angeblich habe sein Schlafzimmer stark nach Äther gerochen.
Das Bild entstand 1963 anlässlich eines Staatsbesuchs in Grossbritannien bei einer Kutschenfahrt mit Königin Elisabeth.
(Journal 21)