Vor 35 Jahren, am 22. November 1989, kam heraus, dass Schweizer Behörden über Jahrzehnte heimlich Akten von Personen angelegt hatten, die in ihren Augen in irgendeiner Weise verdächtig waren. Dieser «Fichenskandal» schlug damals hohe Wellen.
Die Aufdeckung geschah eher zufällig. Vorausgegangen war der Rücktritt der Bundesrätin Elisabeth Kopp, FDP, die das Justizressort leitete. Ihr wurde vorgeworfen, ihrem Mann vertrauliche Informationen im Zusammenhang mit Untersuchungen zum Thema Geldwäsche gegeben zu haben. Sie hatte ihrem Ehemann, seines Zeichens Wirtschaftsanwalt, Ende Oktober 1988 telefonisch empfohlen, aus dem Verwaltungsrat der libanesischen Shakarchi Trading AG zurückzutreten, gegen die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft liefen; sie hatte dieses Telefonat aber gegenüber dem Bundesrat und ihrer Partei verschwiegen.
Dadurch entstand der Verdacht, dass das Schweizer Regierungssystem von der internationalen Finanzwelt unterwandert war. Um diesem Verdacht nachzugehen, wurde eine Parlamentarische Untersuchungskommission unter der Leitung von Moritz Leuenberger, SP, damals Nationalrat, später Bundesrat, eingerichtet. Diese Untersuchungen waren aber wenig ergiebig. Allerdings stiessen die Ermittler eher zufällig, wie es hiess, auf Sammlungen von Aktennotizen, «Fichen», über bis zu 900’000 Bürger, die der Polizei, aber auch anderen Staatsorganen in irgendeiner Weise verdächtig erschienen. Diese Praxis soll sich bis ins Jahr 1900 zurück verfolgen lassen und hatte im Laufe der Zeit insbesondere mit der Abwehr vermeintlich kommunistischer Unterwanderung zu tun. Auch Atomkraftgegner waren verdächtig genug, um sie zu «fichieren».
Nachdem diese Praxis ans Licht gekommen war, verlangten Tausende von Bürgern Akteneinsicht. Sie erhielten schliesslich Kopien ihrer Fichen, auf denen die Namen von Drittpersonen abgedeckt wurden, um die Identität der Informanten geheim zu halten. Es kam zu mehreren Demonstrationen. Das Bild entstand am 22. Januar 1990 in Bern. Am 3. März 1990 demonstrierten 30’000 Personen ebenfalls in Bern.
(Journal 21)