1945 veröffentlichte die französische Post eine Wohltätigkeitsbriefmarke, die an das verheerendste Massaker in Westeuropa erinnert. 1944 ermordete die Waffen-SS im französischen Dorf Oradour-sur-Glane nach offiziellen Angaben 643 Bewohnerinnen und Bewohner. Vermutlich waren es weit über 700. 21 SS-Soldaten wurden später zum Tode oder zu Haftstrafen verurteilt. Hingerichtet wurde niemand. 1959 wurden die letzten Verurteilten amnestiert. Deutschland kollaborierte kaum bei der Aufklärung der Morde.
Ziel des Massakers war gemäss dem deutschen General Alfred Jodl die «Herstellung von Ruhe und Sicherheit». Zuvor hatten französische Partisanen 47 gefangene Deutsche bei Limoges erschossen. Jodl forderte, zur Abschreckung «schärfste Massnahmen» zu ergreifen. In diesen «dauernd verseuchten Gebieten» sollte den Bewohnern «endlich die Lust vergehen, die Widerstandsgruppen aufzunehmen ...» «Rücksichtslose Härte ist in diesem kritischen Augenblick unerlässlich ...»
Das Massaker in Oradour fand vier Tage nach Beginn der Invasion in der Normandie (D-Day) statt. Oradour-sur-Glane liegt 22 Kilometer nordwestlich von Limoges am Flüsschen Glane. Am 10. Juni 1944 traf die 3. Kompanie des SS-Panzergrenadier-Regiment «Der Führer» in Oradour ein. Die Kompanie bestand aus 150 Mann.
Menschen, die sich ausserhalb Oradours befanden, wurden ins Dorf hineingetrieben. Alle Bewohner wurden aufgefordert, sich auf dem Festplatz zu versammeln. Männer wurden von Frauen und Kindern getrennt. Auf ein Signal des Kompanieführers Otto Erich Kahn hin eröffneten die Soldaten das Feuer auf die versammelten Männer. Einer der wenigen Überlebenden, ein 21-Jähriger, der sich versteckt hatte, berichtetete, dass die Soldaten währen ihres Mordens gelacht hätten.
Dann wurden die etwa 350 Frauen und Kinder in eine Kirche gebracht und eingeschlossen. Dort liessen die Soldaten giftigen Phosphorpentoxid-Rauch einströmen. Der Rauch und die sich entwickelte Hitze töteten alle die in Panik geratenen Frauen und Kinder. Anschliessend legten die SS-Soldaten Feuer und legten das ganze Dorf in Ruinen.
Am 13. Februar 1953 verurteilte ein französisches Gericht den deutschen Karl Lenz zum Tode, vier weitere Deutsche zu Zwangsarbeit, einen sprach es frei. Unter den Soldaten befanden sich auch wenige Elsässer. Einer wurde zum Tode verurteilt, neun zu Zwangsarbeit und fünf zu Gefängnisstrafen. Im Elsass wehrte man sich gegen dieses Urteil, weil Tausende Elsässer gegen ihren Willen in die Wehrmacht und die SS eingezogen wurden und an Massakern teilnehmen mussten.
Die Bundesrepublik Deutschland zog niemanden wegen des Mordens in Oradour strafrechtlich zur Verantwortung. Weder wurden Beschuldigte zum Prozess nach Frankreich überstellt, noch kam es in Deutschland zu einer Verurteilung.
Am 4. September 2013 besuchte Bundespräsident Joachim Gauck als erstes deutsches Staatsoberhaupt gemeinsam mit Frankreichs Staatspräsident François Hollande das Dorf im Rahmen eines Staats- und Versöhnungsbesuchs.
Der 1975 veröffentlichte französisch-deutsche Spielfilm Film «Le Vieux Fusil» von Roberto Enrico basiert auf dem Massaker von Oradour. Darsteller sind Philippe Noiret und Romy Schneider. Der Film wurde 1976 mit einem César ausgezeichnet. In Westdeutschland wurde der Film nicht in seiner ursprünglichen Fassung gezeigt. Menschenverachtende Dialoge der deutschen Soldaten wurden herausgeschnitten oder gemildert. Besonders brutale Szenen wurden entfernt. In der DDR lief der Film in der Originalfassung.