Nach knapp zwei Jahren intensiver Ermittlungen sind keine Beweise dafür gefunden worden, dass US-Präsident Donald Trump und sein Team mit der russischen Regierung unter einer Decke stecken. Zumindest keine Beweise, die eine Anklage rechtfertigen würden.
Das zentrale Anliegen von Muellers Ermittlungen ist damit zu Gunsten von Trump entschieden. Ob der US-Präsident darüber hinaus wegen Justizbehinderung angeklagt werden kann, ist derzeit noch offen. Mueller selbst hat sich weder für noch gegen eine Anklage ausgesprochen. Mehrere Ausschüsse des Kongresses ermitteln allerdings weiter in diese Richtung.
Das aber ändert nichts an der Tatsache: Es wurden keine Beweise für eine geheime Kooperation mit der russischen Regierung (Collusion) gefunden. Es ist zweifellos ein Sieg für Donald Trump. Seit Monaten hatte er den Slogan wiederholt: „No collusion“ – „witch-hunt“ – „total bullshit“. Und nun sieht es so aus, als habe er Recht behalten.
Dieser Sieg wurde Donald Trump geschenkt – von seinen politischen Gegnern und vor allem von ihren Medien. Letztere übertrafen sich in den vergangenen Jahren darin, immer neue Indizien für die „collusion“ zusammenzutragen. Viele dieser Geschichten stützten sich auf anonyme Quellen und erwiesen sich als unwahr. Vor allem die bei den einflussreichen fortschrittlichen Demokraten beliebten Fernsehprogramme wie „Daily Show“ oder „Saturday Night Live“ erweckten den Eindruck, Trump sei eine blosse Marionette Putins und eine Verurteilung Trumps wegen Landesverrats nur eine Frage der Zeit. Besonders penetrant wirkte die prominente MSNBC-Moderatorin Rachel Maddow, die ihre Zuschauer mit paranoiden Verschwörungstheorien konfrontierte.
Gespaltene US-Gesellschaft
Der Nordamerikawissenschaftler und Journalist Johannes Simon ist überzeugt (1), führende Medien hätten sich in dieser Affäre unter das Niveau der konservativen Hetzmedien herabgelassen. Um dies zu verstehen, so Simon, müsse man sich nur die politisch-mediale Spaltung der amerikanischen Gesellschaft vergegenwärtigen. „Die Konservativen leben in ihrer eigenen Medienwelt und pflegen ihre eigenen Wahrheiten.“ Besonders der Fernsehsender „Fox News“ spiele dabei eine zentrale Rolle. Kenner der amerikanischen Medienszene sehen in „Fox News“ nicht ohne Grund eine „Propagandamaschine“ und einen „Staatssender“, der zunehmend mit der Trump-Regierung verschmilzt.
Was Trump und „Fox News“ eint, ist die Feindseligkeit gegen die führenden liberalen Medien wie die „New York Times“ oder die „Washington Post“. Wenn Trump behauptet, die fortschrittlichen Medien hätten es auf ihn abgesehen, hat er nicht ganz Unrecht. „Denn eine ausgewogene Berichterstattung über Trump ist eine Berichterstattung gegen Trump“ (Simon). Doch selbst die krassesten Enthüllungen konnten Trump bisher wenig anhaben. Der 45. Präsident der Vereinigten Staaten soll bis zum 1. April 2019 exakt 9’451 Mal gelogen haben (Washington Post). Trumps Anhänger leben in einem „Fox-News-Universum“, in dem Trump immer nur unschuldiges Opfer der vermeintlich „liberalen Medien“ ist.
„Die Russland-Affäre ist nicht als Skandal zu sehen, sondern als ein ’Unternehmen‘ zur Absicherung von Privilegien“, meint Aaron Mate (2). Russiagate helfe dem Trump-Lager, seine Basis zu konsolidieren. Trump könne die Wähler in den republikanischen Hochburgen von „Middle America“ gegen die abgehobenen Eliten der Ost- und Westküste mobilisieren. Und die Medien machen dieses Spiel mit, indem sie weiter auf Russiagate fokussieren – statt auf Trumps tatsächliche Politik. (Gefangen in den „Newsrooms“ Journal 21, 27.11.2018)
Erneut Geheimdienstleute
Zu Recht wurde das politische und mediale Russiagate-Debakel mit dem Propagandafeldzug im Vorfeld des Irakkrieges verglichen. Und wie beim Märchen von Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen und seinen angeblichen Verbindungen zu al-Qaida geht die Story über Trumps Konspiration mit dem Kreml mehrheitlich auf einflussreiche Geheimdienstleute zurück.
Der in Berlin lebende Journalist Johannes Simon zitiert mahnende Stimmen, die jedoch lange überhört wurden. Ein Beispiel: Die russische Journalistin Masha Gessen warnte bereits im März 2017 vor dem „besorgniserregenden Aspekt“, dass die „Trump–Putin-Geschichte vor allem auf Leaks der Geheimdienste basiert“ und dass „nahezu keine dieser Informationen von unabhängiger Seite bestätigt werden kann“. Simon erinnert daran, dass Gessen als regierungskritische Journalistin aus Russland fliehen musste und deshalb nicht als Anhängerin Trumps oder Putins bezeichnet werden kann.
Unangenehme Fragen wurden nicht gestellt
Andere kremlkritische Journalisten stellen fest, die Hysterie um eine russische Einflussnahme habe das Vertrauen der fortschrittlich eingestellten Russen in die amerikanischen Medien erschüttert. In den USA hingegen half die Russland-Affäre, den amerikanischen Liberalen mit dem Trauma von Trumps Wahlsieg umzugehen, ohne sich den unangenehmen politischen Fragen stellen zu müssen, die Trumps Präsidentschaft aufwirft. Zum Beispiel die radikale Umverteilung von unten nach oben. Oder die übertriebene Furcht, die geopolitische Vorherrschaft der USA könnte geschwächt werden.
Unbestritten ist, dass die Russland-Hysterie die durchschnittlichen amerikanischen Wähler nie in dem Ausmass interessiert hat, wie es die mediale Berichterstattung vermuten lässt. Die demokratischen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 2020 scheinen dies verstanden zu haben. Sie verlieren über die vermeintliche Russland-Affäre inzwischen kaum mehr ein Wort.
Druck auf die Demokraten nimmt zu
Damit steht auch fest: Trumps politisches Schicksal wird 2020 an den Wahlurnen entschieden. Der Druck auf die Demokraten steigt, einen Kandidaten oder eine Kandidatin sowie ein politisches Programm zu finden, mit dem sie Präsident Trump schlagen können. Solches hätte freilich schon lange vor dem Mueller-Bericht eine Selbstverständlichkeit sein sollen. „Nachdem das Hirngespinst zerrissen ist, haben die Trump-Gegner eine neue Chance, die Realitäten in den Blick zu nehmen, den sie sich mit Russiagate verstellt haben“ (Aaron Mate).
(1) Johannes Simon: Geschenkter Sieg für Trump. Blätter für deutsche und internationale Politik 5/2019.
(2) Aaron Mate: Der Mueller-Report: Ein Debakel für die Demokraten. Le Monde diplomatique. Mai 2019