Die Stadt Zürich tut sich hervor mit amtlich veranstalteter «Kunst im öffentlichen Raum». Ein Beispiel ist zurzeit auf dem Turbinenplatz in Zürich West zu besichtigen. Bemerkenswert ist weniger die dort präsentierte Kunst als vielmehr die beigestellte Lesehilfe zum Verständnis derselben. Auf einer soliden Tafel, wie sie sonst für temporäre Verkehrssignalisationen verwendet wird, tut die Amtsstelle «Kunst und öffentlicher Raum» das Folgende kund:
«Martin Boyce (*1967) lebt in Glasgow und zählt zu den bekanntesten Künstlern der Gegenwart. (...) Seine Installationen, Fotografien und Zeichnungen weisen eine Vielzahl von Referenzen an die Kunst-, Design- und Architekturgeschichte auf und schaffen neuartige Lesarten der Funktionen, Oberflächen, Formen und Strukturen einer Objektwelt, die uns wohlbekannt erscheint. So entstehen hybride Kreationen, poetische, formvollendete Kunstwerke, die uns dazu animieren, vertraute Wahrnehmungsperspektiven zu revidieren.» Undsoweiter, undsoweiter.
Diesen verblasenen Kunst-Sprech mit den immergleichen Floskeln – Veränderung von Wahrnehmungsgewohnheiten, hybrider Charakter der Artefakte, witzig-ironisch-subversiver Umgang mit der Objektwelt – kennt man von Saaltexten bei Ausstellungen, Katalogbeiträgen oder Vernissage-Reden. Es ist eine standardisierte Sprache, die bei zeitgenössischer Kunst fast immer passt und erst noch die Anstrengung einer Auseinandersetzung mit den Werken erübrigt. Zuweilen mag die Floskolalie der Verlegenheit geschuldet sein, dass die zu besprechende Kunst einer geistigen Annäherung wenig Anhalt bietet. Die endemische Verbreitung des Kunst-Sprechs lässt jedoch primär auf eine gewisse intellektuelle Anspruchslosigkeit schliessen.
Tafeln des Inhalts wie die auf dem Zürcher Turbinenplatz aufzustellen, ist ein No-go. Wenn schon, so müsste die amtliche Mitteilung etwas Erhellendes zu sagen haben, und zwar gerade für Betrachter, die mit solcher Kunst vermeintlich nichts anfangen können. Der Galerien-Jargon wird diese Klientel jedoch nicht ansprechen.
Ein mutiges Konzept von Kunst im öffentlichen Raum würde ohnehin mit der Annahme operieren, die Arbeiten von Martin Boyce sprächen für sich und bräuchten keine Lesehilfe. Aber vielleicht inszeniert das Amt «Kunst und öffentlicher Raum» gar nicht die Werke, sondern nur sich selbst.