Der kenianische Präsident William Ruto wird nach seiner Ankunft in Port-au-Prince (Haiti) von Soldaten seines eigenen Landes herumgeführt. Ruto kündigt die Ankunft von weiteren 600 kenianischen Soldaten an, die sich der Multinationalen Mission zur Sicherheitsunterstützung (MMSS) anschliessen sollen.
Haiti ist ein «Failed State», ein Land, in dem die öffentliche Ordnung zusammengebrochen ist. Schwer bewaffnete Gangs terrorisieren die Bevölkerung. Sie leben von Lösegelderpressungen sowie dem Schwarzmarkthandel mit Lebensmitteln und Treibstoffen. Inzwischen kontrollieren sie rund 80 Prozent der Hauptstadt und Teile des Südens von Haiti. Experten schätzen, dass die Banden rund 12’000 Mann unter Waffen haben.
Der staatliche Sicherheitsapparat ist den Banden hoffnungslos unterlegen. Von den offiziell 9’000 Polizisten sollen viele den Dienst quittiert haben. Haitis Militär ist nur einige hundert Mann stark; die Soldaten haben gegen die mit modernsten Waffen ausgestatteten Gangs keine Chance.
Die von Kenia gestellte Eingreiftruppe hat von der Uno den Auftrag, kritische Infrastruktur sowie wichtige Verkehrspunkte wie Flug- und Seehäfen zu schützen. Zudem soll die Versorgung der notleidenden Bevölkerung gesichert werden. Laut dem Welternährungsprogramm der Uno ist rund die Hälfte der 11,7 Millionen Einwohner von Hunger bedroht, bei 1,8 Millionen Haitianern sei die Lage kritisch. Ausserdem sind über eine halbe Million Menschen vor den Kämpfen zwischen rivalisierenden Banden aus ihren Wohnvierteln geflohen.
Vom Erfolg der kenianischen Uno-Mission hängt ab, ob die vom Übergangsrat für 2025 geplanten Wahlen abgehalten werden können. Angesichts der Gewalt war die ursprünglich für 2019 angesetzte Parlamentswahl sowie die für 2021 geplante Präsidentenwahl mehrfach verschoben worden. In Haiti gibt es derzeit keine vom Volk gewählten Repräsentanten an der Staatsspitze.
Kenias Einsatz in Haiti ist sowohl dort wie auch im entsendenden Land umstritten. Bei der vorangegangenen, ebenfalls von Kenia ausgeführten Uno-Mission Minustah (2004–2017) war es zu Skandalen um sexuelle Gewalt gekommen. Zudem hatten kenianische Truppen die Cholera ins Land eingeschleppt, an der 10’000 Menschen starben.
Experten sind der Ansicht, die kriminellen Gangs würden einzig amerikanische Truppen respektieren. Doch die USA haben einen militärischen Einsatz in Haiti ausgeschlossen und sich lediglich zur Finanzierung der Uno-Mission bereit erklärt.