Händeringen bei westlichen Strategieexperten: Mit der AIIB, der asiatischen Infrastruktur-Investitions-Bank habe China einen geopolitischen Erfolg errungen im Wettlauf mit den USA um Vorherrschaft im Grossraum Asien-Pazifik.
Rendite zuerst
Das ist zwar nicht ganz falsch, trifft aber nicht ins Schwarze. Entwicklungsbanken sind zwar sehr verschieden, haben aber Gemeinsamkeiten, welche politische Manipulation oder gar Missbrauch wenn überhaupt, dann nur sehr bedingt zulassen.
Entwicklungsbanken sind Finanzinstitutionen, welche Kredite für Projekte im öffentlichen Sektor vergeben, im Falle der AIIB für physische Infrastruktur, also Strassen, Eisenbahnlinien, Flugplätze, Häfen, Energieerzeugung und Weiterleitung, und so weiter. Die Kreditbedingungen können sehr verschieden sein, letztlich sollte aber jedes Projekt rentieren, oft betriebswirtschaftlich, immer aber volkswirtschaftlich.
Staatsgarantie
Dies allein schon darum, weil sich Entwicklungsbanken normalerweise am privaten Kapitalmarkt refinanzieren. Sie können das meist zu sehr günstigen Bedingungen tun, da ihr Kapital von den Besitzern der Bank, in aller Regel Staaten, zum Teil gedeckt und immer voll garantiert wird.
Sehr verschieden sind die Banken insbesondere in Bezug auf die Zusammensetzung ihres Aktionariats. Am einen Ende der Skala stehen nationale Entwicklungsbanken. Das extremste Beispiel dafür ist zweifelsohne die Chinesische Entwicklungsbank CDB. Sie finanziert nicht nur Infrastruktur im eigenen Lande, sondern auch in Entwicklungsländern; in diesem zweiten Bereich übersteigt ihre gesamte Kreditsumme bereits jene der Weltbank.
Fragwürdige Kriterien
Die CDB hat tatsächlich bislang ihre Projekte auch nach politischen Kriterien ausgewählt. Spezifische Klienten in Entwicklungsländern wurden belohnt. Darunter gab es Klienten, die im Westen kein Geld mehr aufnehmen konnten. Beispiele sind etwa Sri Lanka und Venezuela. In beiden Fällen hat sich die CDB wohl die Finger verbrannt.
In Sri Lanka hat ein demokratischer Regimewechsel stattgefunden; die neuen politischen Chefs untersuchen nun genau, ob bei der Kreditvergabe nicht Begünstigung und Korruption im Spiel waren. Damit sind weder Zins noch Rückzahlung garantiert. In Venezuela braucht es angesichts der offensichtlichen Misswirtschaft der Chavisten keine Untersuchung; solche Kredite dienten politischer Patronage der Regierung, und kaum volkswirtschaftlichem Fortschritt.
Politik und Wirtschaft
Die CDB refinanziert sich zudem traditionell via kleinere chinesische Banken. Hat sie ein Problem fauler Kredite, im In- und Ausland, schlägt dies damit unmittelbar auf das chinesische Finanzsystem durch. Sie ist also nicht nur ein Instrument aussen- und geopolitischer Interessen Chinas, sondern eben so sehr ein potentielles Unsicherheitsmoment für das Land.
Bekannter sind regionale, kontinentweite und schliesslich globale Entwicklungsbanken, wobei weder Aktionariat noch Projektverteilung festen geographischen Gesetzen gehorchen. So wurde in den Nachkriegsjahren, nach dem Vorbild der Weltbank (IBRD), jeweils eine regionale Entwicklungsbank für Projekte in Asien (ADB), Afrika (AfDB) und Lateinamerika (IDB) gegründet, welchen sich aber auch alle Europäer, eingeschlossen die Schweiz, als Mitglieder anschlossen.
Speziell die Schweiz, welche via die drei nicht nur multilaterale Entwicklungsmittel leitete, und leitet, sondern diesen auch als wichtiger Kapitalmarkt diente und zum Teil noch dient.
Offene Modalitäten
Neben der Weltbank, als der Mutter aller globalen Entwicklungsbanken, dürfte nun auch die AIIB, was ihre Mitglieder anbelangt, eine teilweise globale Institution werden. Sogar die USA und Japan, als die jeweils dominierende Kapitalgeber in der IBRD respektive der ADB sind angesichts der offensichtlichen Attraktion der AIIB mit Mitgliedsversprechen aller asiatischen und europäischen Industrieländer, inklusive der Schweiz, von Gegnerschaft auf positives Abwarten umgeschwenkt.
Diese Attraktivität hängt mit der Möglichkeit zusammen, dass die Mitgliedsländer Aufträge an eigene Firmen im Rahmen von Bankprojekten vergeben können und Refinanzierungen, allenfalls in Remimbi, auf eigenen Kapitalmärkten vornehmen können. Ebenso ist es durchaus möglich, dass sich grosse Kapitalgeber auch starken Einfluss auf die Politik der Kreditvergabe ausbedingen. Hier sind die Modalitäten noch offen, sicher aber wird sich China eine dominierende Stellung vorbehalten. Je weiter sich indes der Fächer der Mitglieder öffnet, desto breiter wird auch die Machtverteilung innerhalb der Organisation.
Fairerweise muss hier festgehalten werden, dass im bislang einzigen Beispiel einer von China angestossenen mulilateralen Entwicklungsbank, informell BRICS-Bank und formell New Development Bank (NDB) genannt, das ‘one man one vote Prinzip’ gilt. Dies gilt im Gegensatz zu den Bretton Woods Institutionen, wo die Höhe der Investition des Mitgliedlandes über seine Stimmkraft entscheidet. Das mit Blick auf gegenwärtige Wirtschaftskraft und Devisenreserven zu verändern, wird seit Jahren versucht; wie immer sind jene, eingeschlossen die Schweiz, sehr zurückhaltend, die von wohlerworbenen aber nicht mehr aktuellen Quoten proftieren.
Wirtschaftliche Grenzen Chinas
Aber auch die Konzentration der AIIB auf ein prioritäres Unterfangen in Asien hat ein Vorbild. Die Europäische Entwicklungsbank EBRD, welcher auch die Schweiz angehört, wurde 1991 gegründet, um nach der Implosion des Ostblocks dem gewaltigen Nachholbedarf in Osteuropa besser begegnen zu können.
Ähnlich liegt nun die Raison d’être der AIIB darin, dass einem sehr grossen Angebot - die ungeheuren Devisenreserven vor allem Chinas - einer noch viel grösseren Nachfrage - der ungenügenden Infrastruktur im Grossraum Asien-Pazifik und dem Weg von dorthin nach Europa - gegenüberstehen. Grundsätzlich ist das Vorgehen Chinas zu begrüssen, als Brücke eine weitere multilaterale Entwicklungsbank zu errichten. Dies ist, auch, ein Eingeständnis Beijings, dass unilaterales Vorgehen seine Reserven, seinen Kapitalmarkt und vor allem seine Wirtschaftspotenz übersteigt.
Es wird die anspruchsvolle Aufgabe aller AIIB-Mitgliedsländer sein - und gerade der Schweiz – über eine sinnvolle und nachhaltige Kreditvergabe zu wachen. Beispielsweise müsste eine rote Karte gezeigt werden, wenn entlang einer der beiden, ebenfalls von China vorgeschlagenen, Seidenstrassen Asien - Europa mit AIIB-Krediten ein Hafen gebaut werden soll, welcher offensichtlich für Kriegs- und nicht für Containerschiffe angelegt ist.