Der Preis ist am Wochenende in Mailand überreicht worden. Der bekannte Anwalt und Professor Paolo Bernasconi hat in der Laudatio hervorgehoben, dass Don Giusto Della Valle, Pfarrer der Kirchgemeinde Rebbio in Como, und Don Gianfranco Feliciani, Erzpriester von Chiasso, seit Jahren zahlreichen Flüchtlingen beidseits der italienisch-schweizerischen Grenze helfen: vor allem unbegleiteten Minderjährigen, schwangeren Frauen, Müttern mit Kleinkindern, von Folter gezeichneten Menschen.
Die beiden Priester unterstützen diese Menschen, ohne Ausweispapiere zu verlangen oder auf Religion oder Hautfarbe zu achten. Sie haben die Empfehlungen von Papst Franziskus in die Wirklichkeit umgesetzt, keine Mauern, sondern Brücken zu bauen und in jeder Pfarrgemeinde mindestens eine Flüchtlingsfamilie aufzunehmen.
Starkes Zeichen der Solidarität
Don Giusto beherbergt zeitweise bis über 60 unbegleitete Minderjährige in seiner Kirchgemeinde. Er wurde von überforderten Behörden, vom Roten Kreuz und der Grenzpolizei um Hilfe gebeten. Die Caritas Como hat auch beim Pfarrer von Chiasso um Unterstützung nachgesucht zugunsten der Flüchtlinge, die vom Grenzwachtkorps an der Einreise in die Schweiz gehindert und nach Italien zurückgeschickt werden.
In dieser Situation machte Don Feliciani die bittere Bemerkung, wonach die Schweiz den Flüchtlingen die Türe verschliesse, aber nicht den Geldern von Diktatoren. Der überreichte Preis hat symbolischen Charakter – es gibt kein Preisgeld –, doch die Anerkennung für die zwei Pfarrer, die in Italien und im Tessin wiederholt angefeindet worden sind, ist ein starkes Zeichen, dass sie nicht allein gelassen werden.
Die Situation an der Grenze ist unhaltbar, denn unbegleitete Minderjährige, die beteuern, Verwandte in Ländern nördlich der Schweiz zu haben, werden weiterhin von den Grenzwächtern nach Italien zurückgeschickt, wie Journal21.ch unter dem Titel „Bürokratie erdrückt Humanität“ Anfang Oktober berichtete.
Nach Sommaruga geht alles den geregelten Weg
Auf unsere Anfrage liess Bundesrätin Simonatta Sommaruga dieser Tage ausrichten, dass eine hochrangige Koordinationsgruppe des Bundes, in der auch das Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge vertreten sei, „aktuelle Fragen rund um das Stellen von Asylgesuchen an der Grenze und Rücküberstellungen klärt“. Die Justizministerin ist besorgt über die grosse Anzahl unbegleiteter Minderjähriger an der Südgrenze, und das Staatssekretariat für Migration (SEM) wie das Grenzwachtkorps (GWK) begegneten dieser Herausforderung mit besonderer Aufmerksamkeit.
Weiter heisst es in der Antwort aus dem Sekretariat der Bundesrätin: „Das GWK begleitet und betreut minderjährige Personen, bis sie an eine andere Behörde übergeben werden können. Die italienischen Behörden ihrerseits übergeben minderjährige Personen an das zuständige Hilfswerk vor Ort. Ebenso bringt das SEM unbegleitete minderjährige Asylsuchende entsprechend ihren Bedürfnissen unter, betreut sie und weist sie so rasch als möglich einem Kanton zu. Im Rahmen des Asylverfahrens werden diese von einer Vertrauensperson unterstützt.“
Weiter heisst es: „Falls minderjährige Personen an der Grenze zum Ausdruck bringen, dass sie Verwandte in der Schweiz haben, sind folgende Vorgehensweisen möglich: Die minderjährige Person kann einen Asylantrag in der Schweiz stellen und wird so an die regulären Strukturen des SEM überwiesen. Falls die minderjährige Person keinen Asylantrag in der Schweiz stellt, wären die Verwandtschaftsverhältnisse im Rahmen des italienischen Dublin-Verfahrens zu prüfen.“
Trotzdem unhaltbare Situationen
Unhaltbar ist die Situation für Flüchtlinge, die nahe Verwandte in Deutschland und andern Ländern im Norden haben, denn ihnen helfen weder die schweizerischen noch die italienischen Behörden. Wie von privaten Flüchtlingshelfern beidseits der Grenze zu erfahren ist, werden wiederholt Minderjährige, die nachweisen können, Verwandte in der Schweiz zu haben, von Grenzwächtern in die Empfangsstelle des Bundes in Chiasso geführt, von wo sie im Verlauf des Verfahrens ihre Verwandten erreichen können.
Trotzdem kommt es jedoch laut Aussagen von Flüchtlingshelfern vor, dass weiterhin zahlreiche Flüchtlinge, darunter auch Minderjährige mit Verwandten in der Schweiz, an der Grenze zurückgewiesen würden, ohne dass ihre Situation von der Migrationsbehörde überprüft werde. Ob das damit zusammenhängt, dass Grenzwächter wirklich nicht verstehen, ob Flüchtlinge, z. B. aus Afrika, um Asyl bitten, bleibt offen.
Hier steht Aussage gegen Aussage. Deshalb ist in dieser schwierigen Situation im italienisch-schweizerischen Grenzgebiet wichtig, dass sich Freiwillige um die Flüchtlinge kümmern, ihnen Essen, Kleider, wenn möglich auch Unterschlupf bieten können. Der Preis des Vereins Reset-Menschenrechte an die beiden Pfarrer ist jedoch auch eine Anerkennung für die vielen freiwilligen Helfer, wie Don Feliciani nach der Preisverleihung erklärt hat.