Natürlich hat das am Samstag zu Ende gegangene WEF nicht plötzlich alle grossen Namen aus Politik, Wirtschaft und Show Business verloren. Aber Klaus Schwab wählte dieses Jahr eine andere Szenerie. Er, der WEF-Übervater, der ein viertägiges Symposium in eine globale Netzwerkmaschine verwandelt hat - und damit ‘Davos’ zum weltweit verstandenen Begriff für abgehobenen Exklusivität. Zum Auftakt präsentierte US-Vizepräsident Joe Biden einen 5-Punkteplan zur Rettung der durch Globalisierung und Digitalisierung arg gebeutelten Mittelklasse.
Bessere Aus- und Weiterbildung, besseren Schutz für Angestellte, mehr Investitionen in öffentlicher Infrastruktur sowie mehr Kapital für Unternehmen, aber auch neue progressive Steuersätze - das sind nicht unbedingt die von bisherigen WEFs gewohnte Schlüsselbegriffe.
Mit luftigen Titeln die Welt retten
Unter dem Motto ‘Kontrolle über die vierte industrielle Revolution’ nahmen sich die Teilnehmer anschliessend entsprechende Probleme vor, welche uns alle betreffen. So die mannigfaltigen Auswirkungen von selbstfahrenden Vehikeln und die zukünftige Verdrängung konventioneller Zahlungsmittel durch digitale Währungen. Die WEF-Plattform für junge, noch unbekannte Start-ups stand ebenfalls im Zentrum der Aufmerksamkeit.
Sich konkreten Problemen zu widmen, anstatt vorzugeben, unter luftigen Titeln und mit politischen Geheimtreffen die Welt zu retten, ist eines. Die Wutbürger von heute, welche sich von den Schalmeienklängen der nationalistisch-populistischen Rattenfänger verführen lassen, rekrutieren sich ja aus der grossen Mehrheit, welche sich der wirtschaftlich flachen Welt, ihrer digitalen Ausstattung und ihren sozialen Folgen anzupassen haben. Unbesehen davon, ob sie wollen oder nicht.
Drohender Terror
Wenn man die Entwicklung von ‘Davos’ über die letzten Jahre verfolgt, zeigt sich hier, dass vermehrte Einbindung in politische Entscheidungsprozesse zur Überbrückung dieser Kluft beitragen kann. In der Vergangenheit richteten sich die Sicherheitsmassnahmen in Davos gegen jene, welche das bestehende System verändern wollten und die Führungsfunktion des klassischen Davos man in Abrede stellten. Einige von Ihnen und zahlreiche der Forderungen sind heute im WEF integriert und werden dort zumindest diskutiert.
Die offensichtlich weiterbestehenden, ja teilweise verschärften Sicherheitsvorkehren in Davos richten sich heute weniger gegen WEF-Systemkritiker, sondern gegen Terrorangriffe, welche heute überall zur traurigen Realität gehören. Wenn ein Oberst der Schweizer Armee in den Abendnachrichten demonstriert, wie schwierig es für einen Selbstmordattentäter wäre, den WEF-Sicherheitsperimeter zu durchbrechen, so ist das eine klares Zeichen. Ein Anzeichen dafür, dass ‘Davos’ nicht länger abgehobenes Alpinreduit für eine winzige Elite sein kann, weit weg von den aktuellen Problemen, welche sich ‘Jedermann’ stellen.
Grosse Namen blieben fern
Diese Megaprobleme, die zwei verschiedenen, aber durch die Realität verzahnten Herausforderungen von Massenmigration und islamistischem Terror eingeschlossen deren Ursachen im Mittleren Osten und Afrika, ebenso wie die steigende Attraktivität extremistischer Parteien sind essentiell politischer und sozialer Natur. Dafür hat das Weltwirtschaftsforum weder die demokratische Legitimation noch die richtige Zusammensetzung.
Entsprechend blieben viele der grossen politischen Namen dieses Jahr fern. Merkel und Hollande, Putin und Xi-Jinping zogen es angesichts der nationalen Auswirkungen besagter Probleme vor, zu Hause präsent zu sein oder bereisten die Unruheregionen. So Xi mit Besuchen in Riad, Kairo und Teheran. Ob und gegegenenfalls wie China in der brandgefährlichen Eskalation zwischen Saudiarabien und dem Iran, zwischen Sunna und Schia, vermitteln kann und will, wird nicht in ‘Davos’ entschieden sondern bedingt Pendeldiplomatie zwischen den Parteien.
"Silo"-Denken
‘Davos’ befindet sich allenfalls auf dem Wege zurück zu seinen Wurzeln: ein Treffen, wo die Geschäftswelt von der Politik hört, wie die Wirklichkeit draussen aussieht und wo neue Politstars ihr Gesicht und Programm führenden Wirtschaftsvertretern und Investoren zeigen können. So wie dieses Mal der Kanadier Trudeau und der Argentinier Macri.
Um Barrieren zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor und entsprechendem ‘Silo’-Denken zu überwinden, ist das WEF geschaffen worden. Eine Entwicklung zurück zu diesen Wurzeln wäre zu begrüssen.