Die Bäume lassen ihre Blätter nun endgültig los. Sie fallen auf den Boden; hoffentlich auf natürliches Terrain und nicht in einen Garten, wo sie von wildgewordenen Laubbläsern zusammentrieben werden, dann entweder im Abfall landen oder zu Kompost oder Biogas verarbeitet werden. Das ist energetischer und auch ökologischer Unsinn.
In natürlichen Systemen, zum Beispiel im Wald, fallen die Blätter auf den liegengebliebenen Rest der Laubblätter oder die Nadeln des vergangenen Jahres. Bleibt es trocken, kann man dann durch eine zehn bis zwanzig Zentimeter dicke Schicht Blätter rascheln, was Kinder und Erwachsene ungemein freut. Regnet es, wird das Laub zusammengedrückt; schneit es, wird es sogar plattgedrückt.
Fragt sich nur, was die Natur mit all dem Abfall macht.
Die Natur hat vorgesorgt! Das Bodenleben nimmt sich dieser Abfallflut an und beginnt gleich, die Nadeln und vor allem die Laubblätter zu zersetzen. Allen voran die Regenwürmer, die sich einen Sport draus machen, die Blätter in ihre Röhren zu ziehen. Sie können sie nicht direkt fressen, weil sie nicht über Zähne zum Beissen verfügen. Deshalb kleben sie die Blattresten an die Wände ihrer Wohnröhren und lassen sie von andern Mikroorganismen langsam verrotten. Sind die Blätter dann mal mürbe, werden sie vom Wurm mit Bodenmaterial vermischt und verspeist. Die nicht verdaulichen Reste werden als eine Art „Vermicelles-Türmchen“ auf der Bodenoberfläche abgelegt. Zurzeit ist das Schauspiel an vielen Orten zu besichtigen (Bild 1).
Wer nicht Zeit hat, nachts vor einem Regenwurmloch zu warten, kann die Bilder 2 und 3 studieren: in einem Gemüsegarten wurden absichtlich verstreute Grasschnitt-Hälmchen so regelmässig wie nur möglich verteilt. Nach einer Woche hatten sich die Halme seltsamerweise „zusammengerottet“ und gebüschelt (Bild 2)! Einige von ihnen stecken direkt im Boden (Bild 3). Sie sind offenbar im Begriff, vom örtlichen Regenwurm in sein Wohnloch gezogen zu werden. Man muss nur warten können!
Ganz nebenbei für die klimainteressierten Leserinnen: Grasabschnitte und Laubblätter sind nichts anderes als organische Substanz, bestehend aus kohlenstoffreichen Molekülen. Durch die Zersetzung oder die Verdauung wird CO₂ frei; ein ganz natürlicher Prozess, der zurzeit im Boden vermutlich ziemlich heftig abläuft. Im Frühjahr, wenn die Bäume ihre Blätter austreiben, läuft der umgekehrte Vorgang: CO₂ wird vom Chlorophyll in den Blättern zu organischen Bestandteilen der Pflanze synthetisiert. Ein phänomenaler Vorgang!
Die Bodenlebewesen werden im Übrigen nicht ganz fertig mit dem Wegräumen des herbstlichen Segens. Ein kleiner Teil der organischen Stoffe wird nicht völlig ab-, sondern umgebaut in Humus, eine dauerhafte Form von organischer Substanz im Boden, die dunkelbraun bis schwarz gefärbt ist. Dieser ist schwer abbaubar und häuft sich über die Jahrzehnte und Jahrhunderte an. Die oberste Bodenschicht in Waldböden ist deshalb oft sehr dunkel bis fast schwarz gefärbt. Man merkt das, indem man mit dem Schuh auf dem Waldboden etwas hin- und her reibt, dann kommt schwärzliches Material zum Vorschein. So speichert der Boden CO₂ und hält es aus der Atmosphäre fern.
Regenwürmer sind Schwerarbeiter; es braucht sie, denn sonst würden wir mit jedem Jahr immer tiefer in einem Meer von Laub ertrinken.