Während die Liegenschaftspreise in der Schweiz steigen und steigen, steigt parallel dazu auch etwas anderes: die enormen Kostenrisiken, verursacht durch die globale Erwärmung. Das scheint hierzulande nur wenige zu beunruhigen.
In der Schweiz beherrschte diesen Frühling vorübergehend ein Thema die medial diktierten Tagesaktualitäten: der Erfolg der Klimaseniorinnen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dieser rügte die Schweiz für ihre ungenügende Klimapolitik. Augenblicklich benutzte die SVP diesen Steilpass, um ihr allerliebstes Thema der «fremden Richter» aufzuwärmen und den Austritt der Schweiz aus dem Europarat zu fordern. Während man in der NZZ von einem «übergriffigen» Urteil las, konnte man aber auch vernehmen oder hören, dass der Schweizer Sonderweg mit der Auslagerung eines grossen Teils der eigenen CO2-Emissionen ins Ausland anderswo nicht goutiert wird.
Ungeachtet dieses helvetischen Entrüstungssturms befassten sich Herausgeber und Journalisten anderswo auf der Welt mit einer am Horizont heraufziehenden, wesentlich gefährlicheren Klimaherausforderung: Liegenschaftsbesitzer weltweit werden gewarnt vor den jährlich zunehmenden Milliardenschäden, verursacht durch die Folgen der Klimaerwärmung. Gemeint sind Hurrikane, Hagelschäden, Waldbrände, Hochwasser, Trockenheit, Wassermangel, Erdrutsche und, und, und. Dazu folgen Auszüge aus «The next Housing Disaster» des April-Economists:
Hauseigentümer weltweit erwartet eine Rechnung von 25 Billionen (25’000’000’000’000) Dollar für Schäden als Folge der Klimaerwärmung
Ungefähr zwei Drittel der weltweiten Vermögen bestehen aus Liegenschaften, sie sind bei weitem der wichtigste Vermögensteil. Die drohenden Schäden sind so gewaltig, dass die Folgen nicht nur für Liegenschaftsbesitzer, sondern auch für das gesamte Finanzsystem eine Bedrohung darstellen. Versicherungen müssen für gewaltige Schäden aufkommen. Banken sind wichtige Hypothekenanbieter. Sinken eines Tages die Hauspreise – wie das in den USA 2010/2011 der Fall war –, müssen Hypotheken entsprechend amortisiert werden – soweit das den Schuldnern überhaupt möglich ist. Sonst droht der nächste Häuser- und Bankencrash.
Einen Vorgeschmack dieses Trends bekam die Schweiz bereits zu spüren: 2023 etwa stürzte in Schwanden (GL) nach einem Starkregen eine Schlammlawine talwärts und begrub Teile des Dorfes unter sich. 100 Menschen mussten evakuiert werden. Oder im Tessin – in Ascona, Losone und Ronco sopra Ascona – zerstörte ein lokal begrenzter Hagelsturm unzählige Ziegeldächer. Zum Teil konnten sie mangels Handwerker-Kapazitäten erst viele Monate später neu bedeckt werden.
Und dann die Wetter-Desaster Ende Juni 2024 im Wallis, Tessin und in Graubünden mit Todesopfern und Millionenschäden, die auch nach einer Woche noch nicht abzuschätzen waren …
Weltweit waren es in der Vergangenheit zum Beispiel Tornados im Mittleren Westen der USA oder Hagelstürme mit tennisballgrossen Eisklumpen in Italien, die unzählige Dächer von Villen zerstörten. Global sind Häuser für 18 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Die Frage steht im Raum, wer für die jährlich durch die Erderwärmung verursachten steigenden Schäden an Liegenschaften aufkommen wird. In Ländern wie Deutschland, in denen die Regierung Vorschriften für Präventionsmassnahmen erliess, stellte sich die Bevölkerung quer und die Regierung musste zurückkrebsen. Die privaten Hausbesitzer wollten nichts von Vorsorge-Investitionen wissen. Nur – was längst bekannt ist: Nichtstun in der Gegenwart wird bestraft werden, denn später wird alles viel teurer werden.
Zuoberst wird’s sehr heiss
Im Mai 2024 widmete die NZZ am Sonntag der lokalen Problematik des Klimawandels einen Bericht, der erstmals aufzeigte, dass der Klimawandel den Attikawohnungen (Status-Etagen) besonders zusetzte. Immobilienhändler bestätigten, dass solche Objekte immer schwerer vermittelbar würden. Da müssten wohl an heissen Sommertagen Klimaanlagen nachhelfen, um das Leben erträglicher zu gestalten – doch wer will das schon in Zeiten, da Strom gespart werden muss.
Erschwerend wiegt der Faktor, dass in Altbauten der Schweiz Zehntausende von Dächern noch nicht einmal nach neuesten Erkenntnissen isoliert sind. Klimaanlagen einzubauen scheint vielen nicht opportun. Bei jährlich steigenden Sommertemperaturen werden deshalb vermehrt kleine, ineffiziente, stromfressende Kühlgeräte gekauft, genau das Gegenteil dessen, was richtig wäre. Zudem wissen wir ja, dass die Hitze nicht an der Haustüre Halt macht. Da publizierte das Schweizerische Tropen- und Public-Health-Institut jüngst einen Bericht, in dem eine erhöhte Sterblichkeit in typischen Hitzezonen in Schweizer Städten nachgewiesen wird. Entwarnung darf nicht erwartet werden, im Gegenteil: Bis 2035 werden sich in Schweizer Innenstädten die tropischen Nächte verdreifachen.
Blick in die Zukunft
Noch immer gibt es jene im Land, die die Klimaerwärmung als Märchen abtun, die davon palavern, «diese Ereignisse hätte es schon immer gegeben» usw. Doch derweil bestätigen die «National Centres for Environmental Information», dass z. B. Amerika 2023 28 nationale Katastrophen (bisheriger Rekord aus dem Jahr 2020: 22) mit je einer Schadensumme von mehr als einer Milliarde Dollar verkraften musste. Und der Taifun Doksuri, der 2023 über die Philippinen und Südchina hinwegzog, war der teuerste Taifun in der Geschichte.
Man kann aus der Geschichte lernen: In Tokyo – als Beispiel – wurden nach dem Taifun Kit, der 1966 42’000 Gebäude unter Wasser setzte, private und öffentliche Vorkehrungen getroffen, um Wiederholungen zu vermeiden. Als 2017 ein Sturm vergleichbare Mengen an Wasser auslöste, wurden nur 35 Gebäude überschwemmt.
Der Economist schliesst seinen Leitartikel zum Klimawandel mit dem lapidaren Hinweis, dass auch heute noch viele Menschen überzeugt seien, dass solche Ereignisse nur anderen Menschen in fernen Gegenden passieren könnten. «Doch für grosse Teile der reichen Welt beginnen diese Kostenlawinen nach Hause zu kommen.» («Climate change is often cast as something happening to other people, in faraway places and in desperate circumstances. But for much of the rich world, the costs are starting to come home.»)