Weissrussland ist in diesen Tagen in aller Munde – zumindest in Europa. Aufsehen erregen die Massenproteste gegen das Langzeitregime von Alexander Lukaschenko, das vor knapp zwei Wochen die Präsidentenwahlen mit grösster Wahrscheinlichkeit grob gefälscht hat. Dabei mögen sich manche Leute darüber wundern, weshalb im deutschsprachigen Raum in den einen Medien von Weissrussland und in andern von Belarus die Rede ist. Welcher Name ist nun der richtige?
Deutsche Übersetzung von Belarus
Die kurze Antwort lautet: Beide Bezeichnungen sind richtig. Weissrussland ist nichts anderes als die deutsche Übersetzung des ostslawischen Ländernamens Belarus. Diese letztere Bezeichnung setzt sich zusammen aus bela- oder bjela- (slawisch für weiss) und Rus (ein Name für die mittelalterlichen ostslawischen Herrschaftsgebiete). Der wohl älteste Gebrauch dieses Ausdrucks geht zurück auf die Kiewer Rus, das Siedlungsgebiet um die heutige ukrainische Hauptstadt Kiew, die auch als die Wiege der russisch-orthodoxen Kirche gilt.
Die Herkunft der Bezeichnung «weiss» in Bela-Rus ist nicht ganz klar. Man nimmt an, dass im Frühslawischen die Himmelsrichtungen durch Farben bezeichnet wurden. Die Farbe weiss würde sich dabei auf ein Gebiet westlich der ehemaligen Kiewer Rus beziehen.
Die deutsche Bezeichnung Weissrussland ist laut dem britischen Belarus-Experten Sven Gerst insofern problematisch, weil damit suggeriert werde, das damit gemeinte Staatsgebiet gehöre weiterhin «irgendwie zu Russland». Das ist zwar historisch und politisch nicht unbegründet, denn Weissrussland war in seiner Geschichte immer Teil anderer Grossmächte. Es gehörte einst zum Grossfürstentum Litauen, dann zum polnisch-litauischen Königreich, später zum russischen Zarenreich und schliesslich zur Sowjetunion. Erst 1991 wurde aus der Sowjetrepublik Belarus ein eigener unabhängiger Staat. Einige Jahre später vereinbarte der noch heute amtierende Machthaber Lukaschenko mit der russischen Führung die Schaffung einer russisch-belarussischen Union, die aber bisher ein Torso geblieben ist.
Sprachliche Verdeutlichung empfehlenswert
Für staatsbewusste belarussische Bürger ist die im Deutschen besonders enge Verbindung zwischen den Namen Russland und Weissrussland nicht leicht verdaulich. Laut Wikipedia verwenden deshalb mit Rücksicht auf solche Empfindlichkeiten die österreichische und die schweizerische Diplomatie in deutschsprachigen Texten den Namen Belarus. Auch die im Januar gegründete deutsch-belarussische Geschichtskommission empfiehlt als Landesnamen Belarus.
In den deutschsprachigen Medien sind beide Varianten, also Weissrussland und Belarus, zu finden. In der angelsächsischen Presse hat sich von Anfang an der Name Belarus durchgesetzt. Im Interesse einer deutlicheren sprachlichen Unterscheidung zwischen den Begriffen Russland und Weissrussland empfiehlt es sich daher, für das zurzeit um seine politische Selbstbestimmung ringende Land konsequenter den Namen Belarus und das Adjektiv belarussisch zu gebrauchen. Daran wird sich auch «Journal 21» orientieren.