Man mag es kaum glauben, dass sich der Geburtstag dieser Fotografin im Januar zum 200. Mal gejährt hat. Denn die Erfindung der Fotografie – damals Daguerreotypie genannt - wird auf das Jahr 1839 datiert. Schon 1840 machte Bertha Wehnert-Beckmann die erste Bekanntschaft mit ihr. Mit anderen Worten: Sie war von Anfang an dabei. Ihre Geschichte ist zugleich eine Geschichte der ersten Schritte des damals absolut neuen Mediums.
Die neue Erfindung
Im Jahr 1839 liess der französische Maler Louis Jacques Mandé Daguerre ein Verfahren patentieren, das nach ihm benannt wurde und es erstmals erlaubte, Bilder mittels chemischer Prozesse herzustellen. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich diese Nachricht, so dass dieses Verfahren in kürzester Zeit populär wurde. Die Nachfrage war gewaltig. Schon 1842 begann Bertha Wehnert-Beckmann, sich in die Daguerreotypie einzuarbeiten. Und sie blieb insgesamt 40 Jahre bei der Fotografie und erlebte die damals rasante technische Entwicklung.
Was gab dazu den Anstoss, und wie kann man sich das Leben dieser Frau in einer Zeit vorstellen, die noch ganz in traditionellen Rollenvorstellungen gefangen war? Es gibt einige Tausend Negative aus den Jahrzehnten ihrer Tätigkeit, aber ihr Leben selbst ist nicht vollständig dokumentiert. Man weiss, dass sie im Jahr 1839 in Dresden als "Galanteriearbeiterin", also in einer Art Kunstgewerbe, tätig war. Nachdem sie auf die Daguerreotypie gestossen war, reiste sie nach Prag, um sich dort von 1842 an in dieser Technik ausbilden zu lassen. 1843 kehrte sie wieder nach Dresden zurück, und bereiste die umliegenden Städte, um Kunden für ihre Porträts zu finden.
Meisterin des Porträts
1843 eröffnete sie in Leipzig ein Atelier. Aus der Zusammenarbeit mit Eduard Wehnert entstand eine Ehe, die allerdings aufgrund seines frühen Todes nur kurz dauerte. 1849 reiste Bertha Wehnert-Beckmann nach New York, um dort als Fotografin zu arbeiten. Offensichtlich war sie recht erfolgreich. Sie wusste ihre Chancen auch unter den harten Wettbewerbsbedingungen der aufstrebenden Stadt zu nutzen. Etwas seltsam ist, dass sie im Jahr 1851 eine neue Wohnung bezog, um dann ziemlich abrupt abzureisen und sich wieder in Leipzig niederzulassen.
Dort wurde sie zu einer Art Berühmtheit. 1864 taucht sie in einem Roman auf, der von Louise Otto-Peters verfasst war und den charakteristischen Titel "Neue Bahnen" trug. In dem Roman heisst es:
Ihre "Photographien hatten einen ziemlichen Ruf, sie war damit in der Damenwelt der höheren Kreise Mode geworden und auch die Künstlerinnen vertrauten sich am liebsten ihr an. Man wusste, dass sie nicht nur die besten Apparate hatte, sondern dass sie auch gewissenhaft darauf sah, dass selbst nicht der kleinste Toilettenfehler vorkam und dass sie für jede Person die vorteilhafteste Stellung zu finden, die Faltenwürfe auf das Malerischste zu ordnen wusste. Herren betraten das Atelier seltener; teils hafteten sie am alten Vorurteil, dass trotz aller Proben weniger von der weiblichen als männlichen Kunstleistung hielt, teils aus dem sehr natürlichen Gefühl, lieber mit ihres Gleichen als mit einer Dame in dieser Angelegenheit zu verkehren." (Aus dem Beitrag von Christoph Kaufmann im besprochen Begleitband)
Entsprechend haben die Ausstellung und das Begleitbuch drei Komponenten, die in sich schon spannend sind, aber in ihrer Kombination einen ganz besonderen Reiz bieten: die technische Entwicklung der Fotografie von ihren Anfängen an, das Leben von Bertha Wehnert-Beckmann und die Art, wie sich die Fotografie gestalterisch von der Malerei Stück für Stück löste und ihre eigenen Wege ging.
So kann man an den Porträts sehen, wie sich die Fotografie am Anfang ganz an der Malerei orientierte, entsprechende Prognosen bevorzugte und auch die Accessoires entsprechend auswählte. Und es gibt noch eine andere Tendenz. So beobachtet Dorothea Peters Ihrem Essay den „Übergang vom Gruppen-oder Freundschaftsbild zum individuellen Porträt, das gleichwohl intim bleibt und kaum repräsentative Funktionen entfaltet oder diese ironisch bricht.“ Überhaupt sind die begleitenden Essays mit ihren kunsthistorischen, fotografie- und sozialgeschichtlichen, technischen und biografischen Perspektiven ausserordentlich instruktiv und anregend.
Die Fotografin. Bertha Wehnert-Beckmann 1815 - 1901, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
Das Begleitbuch zur Ausstellung ist unter dem gleichen Titel erschienen