Am 15. Mai 1863 – also heute vor 150 Jahren - wird in Paris eine seltsame Kunstausstellung eröffnet. Sie enthält nur „hässliche“ Bilder. „Hässlich“ zumindest sind sie in den Augen der reputierten Jury-Mitglieder des „Salon de Paris“, eine edle Kunstausstellung, die schon 1667 von Ludwig XIV. ins Leben gerufen wurde.
Dieser „Salon de Paris“ ist eine konservative, traditionelle Kunstschau. Neue Stile und Ideen werden dort kaum berücksichtigt. Provokatives schon gar nicht. Die Jury-Mitglieder sind ältere Herren, die irgendeinmal an der École des Beaux-Arts ihre Zeit vertrieben.
Viele Künstler buhlen trotzdem darum, am „Salon de Paris“ ausstellen zu dürfen. Denn dann haben sie es – finanziell – geschafft, dann werden ihre Werke von den reichen Notabeln gekauft.
Napoléon III. hasste dieses Bild
Für den Salon im Jahr 1863 werden 5000 Bilder eingereicht. Davon haben die gestrengen Herren 3000 zurückgewiesen, also „refüsiert“. Unter ihnen befinden sich Werke von Künstlern wie Courbet, Monet, Manet, Sisley, Renoir und vielen anderen.
Dann kommt ein Galerist, ein Monsieur Louis Martine, auf die Idee, die refüsierten Bilder selbst auszustellen. Doch seine Galerie ist zu klein. Schliesslich greift Napoléon III. ein. Er verfügt, dass die meisten der 3000 abgelehnten Bilder in einem separaten Salon auszustellen seien: dem „Salon des Refusés“, dem Salon der Zurückgewiesenen.
So kann am 15. Mai vor 150 Jahren die breite Öffentlichkeit zum ersten Mal Édouard Manets „Le déjeuner sur l’herbe“ inspizieren. Die Zeitungen berichten, dass Napoléon III. dieses Bild hasse. Deshalb wurde es zum Publikumsmagnet.
Ein flotter Vierer
Für die damalige Zeit ist es ein gewagtes Sujet: Zwei nackte Frauen und zwei bekleidete Herren blicken den Maler an. Sie warten offenbar nur, bis er abzieht, damit sich auch die Herren ausziehen, um sich mit den Damen zu vergnügen. Manet wollte das Bild zunächst „La Partie carrée“ nennen, die Partie zu Viert – oder: ein flotter Vierer.
Die konservative Kritik fällt über das Bild her. Die nackte Dame im Vordergrund sei hässlich. Wie könne man nur Freude an einem solchen Körper finden. Die Herren seien schlecht angezogen. En plus: alles sei vulgär. Die Kirche revoltiert, Puristen verlangen eine Entfernung der "obszönen Pinseleien".
Die vier Personen auf Monets Bild sind identifiziert. Die nackte Dame im Vordergrund ist die damals 19-jährige Victorine Meurent. Sie war selbst Malerin und lange Zeit ein Model für Manet. Später wurde sie Alkoholikerin, ging eine lesbische Beziehung ein und spazierte Gitarre spielend, in Lumpen gekleidet, oft von einem Affen begleitet, durch die Pariser Strassen.
Der Herr vorne links ist Manets Bruder Eugène und der Herr rechts der Bildhauer Ferdinand Leenhoff, der spätere Schwager Manets.
Kult
Manets „Frühstück/Mittagessen auf dem Gras“ (Frühstück im Grünen) hat längst Kultcharakter. Modeketten drucken heute das Bild auf T-shirts. Man findet es auf CD-Covers und in Reklame-Sujets. Das Bild war auf dem Titelblatt des "Economist" und ziert Tassen, Teller und Briefmarken. Rund um die Welt wird die Szene von Zeitgenossen nachgestellt.
Zwei Jahre später hat dann Manets Konkurrent Claude Monet sein eigenes „Déjeuner sur l’herbe“ gemalt. Er tat dies nicht, um Manet eins auszuwischen. Im Gegenteil: Er bewunderte das Motiv.
Doch Monet bekam finanzielle Schwierigkeiten und er pfändete sein Bild. Später, als es von Schimmel befallen war, restaurierte er es teilweise.
Auch dieses Bild, das ein Picknick im Birkenwald von Fontainebleau zeigt, ist im Musée d’Orsay zu sehen – allerdings im Parterre-Geschoss. Es ist zwar viel grösser, doch hier drängen sich nur halb so viele Besucher wie bei Manet im fünften Stock.
Monets „Frühstück“ verzichtete bewusst auf Provokation. All seine Figuren sind züchtig angezogen. Kein flotter Vierer.