„Verschwörungstheoretiker“ stehen im Ruf, ihren schwarzen Fantasien nachzuhängen. Diese wiederum insistieren darauf, dass sie es mit Realitäten zu tun hätten, die andere nicht sehen wollten. Zum Beispiel Ungereimtheiten bei 9/11.
Und hinter diesen Ungereimtheiten vermuten sie Verschwörungen, die es vielleicht gar nicht gibt. Diese Zuordnungen werden wiederum durch die Logik der Sprache begünstigt.
Denn wenn irgendwo etwas geschieht, suchen wir dahinter eine Ursache oder einen Urheber. Demnach hat jede Handlung ebenso ein Subjekt wie jeder Satz unserer Sprache. Das ist aber eine Illusion. Der Soziologe Ulrich Beck hat einmal für nicht mehr zurechenbare Handlungsfolgen den Begriff der „organisierten Unverantwortlichkeit“ geprägt. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel die Umwelt schädigt, ist kein Mitarbeiter direkt verantwortlich zu machen, weil jeder sich nur um winzige Teilbereiche kümmert. Die Schädigung ist also das Werk aller – und von keinem Einzelnen.
Unsere Welt ist so komplex, dass es für sie keine zentralen Instanzen zur Steuerung mehr gibt. Da entstehen Emergenzen, die keiner geplant oder auch nur vorhergesehen hat. Auch im Negativen gibt es keinen Mastermind mehr. Verschwörungstheorien leiden unter dem Ballast eines veralteten Weltbildes, und deswegen behaupten sie stets zu viel. Weniger wäre mehr.
Wenn ein Wort im allgemeinen Sprachgebrauch negativ konnotiert ist, kann man daran kaum etwas ändern. Die Vertreter der political correctness sind konsequent. Sie ersetzen Worte mit negativen oder abwertenden Bedeutungen durch andere.
Vielleicht sollte man von „Lückentheorie“ sprechen. Lückentheoretiker würden dann auf die Lücken aufmerksam machen, die in offiziellen Erklärungen stecken. Diese Lücken können zum Beispiel in den Schwärzungen von regierungsamtlichen Dokumenten bestehen. Beharrliches Fragen ist wirksamer als die Verbreitung gewagter Behauptungen über Urheber, die aller Wahrscheinlichkeit nach nirgends zu finden sind.