Die Truppen des exilierten Präsidenten Abd Rabbo al-Hadi, die von Saudi-Arabien und den Arabischen Emiraten unterstützt werden, haben ihren Angriff auf die Hafenstadt Hodeida verschärft. Die neue Offensive begann nach langen Wochen der Kleinkämpfe rund um die Stadt herum am 2. November. Sie ist in den letzten Tagen, seit Freitag, 9. November, nochmals verschärft worden. Neu eingesetzten angreifenden Truppen gelang es, in Teile der Innenstadt vorzudringen, welche die Huthis mit allen Mitteln zu halten suchen. Am Freitag fiel das grösste Spital der Hafenstadt, „22. Mai“ genannt, in die Hände der eindringenden Truppen. Diese warfen den Huthis vor, sie hätten Scharfschützen auf dem Dach des Spitals stationiert. Dass die Zugänge mit Minen versperrt waren, erscheint jedenfalls glaubhaft.
Keine Rücksicht auf Zivilbevölkerung
Die Huthis haben ihre Panzer auf die Hügel ausserhalb der Altstadt gebracht, um ihre Defensive mit Tankfeuer aus der Entfernung unterstützen zu können. Die Lufthoheit liegt wie immer bei der saudischen Koalition, und deren Bombardierungen der Huthi-Stellungen sind intensiv. Dabei ist – wie in den früheren Strassenkämpfen in Mosul und in Raqqa, die sich gegen den IS richteten – nicht vermeidbar, dass die Zivilbevölkerung und ihre Häuser mit betroffen sind. Die verbleibenden Zivilisten sagen, es sei ihnen nicht möglich, aus dem Kampfgebiet zu fliehen. Fluchtversuche seien zu gefährlich, und sie hätten ohnehin kein Geld, um die Flucht zu bewerkstelligen.
Der Hauptangriff der Pro-Hadi-Truppen richtet sich gegen die Strasse, welche die Altstadt von Hodeida und deren Markt mit den Hafenanlagen verbindet, die im Norden der Stadt liegen. Das Spital liegt an dieser Achse. Der Vorstoss ist ein Versuch, die Altstadt zunächst zu umgehen und ihre Verbindung zum Hafen zu unterbrechen. Die Huthis tragen Gegenangriffe vor. Sie sind offensichtlich gewillt, den Kampf innerhalb der Stadt im Häuserkampf auszutragen. Auch ihre Gegner zeigen keinerlei Hemmungen, die Hafenstadt mit den verbliebenen zivilen Bewohnern in ein Schlachtfeld zu verwandeln.
Schatten der Ermordung Khashoggis
Dass die neue Offensive fast genau einen Monat nach der Ermordung Khashoggis ausgelöst wurde, unterstreicht, dass der saudische Kronprinz entschlossen ist, an der Macht zu bleiben, koste es was es wolle. Er benötigt nun – da er international und wahrscheinlich auch im Inneren seines Landes in Frage gestellt wird – den militärischen Sieg in Jemen dringender denn je. Wenn er ihn erringt und ausposaunen kann, so dürfte er spekulieren, kann er die Ermordung Khashoggis vergessen machen.
In den USA ist, ausgelöst durch die Mordaktion im saudischen Generalkonsulat von Istanbul, eine Diskussion darüber entbrannt, ob die amerikanische Hilfe für Saudi-Arabien im Jemenkrieg wirklich gerechtfertigt sei. Verteidigungsminister Jim Mattis hatte erklärt, neue Friedensverhandlungen in Jemen sollten innerhalb von 30 Tagen beginnen. Doch die Uno, die über ihren Sondergesandten Griffith die Stimmung auf beiden Seiten kennt, liess verlauten, die Verhandlungen müssten auf das kommende Jahr verschoben werden.
Republikanische Senatoren regten einen Gesetzesentwurf an, der die Betankung der Kampfflugzeuge der saudischen Koalition in der Luft durch die US Air Force untersagen sollte. Doch die Saudis kamen dem zuvor, indem sie von sich aus auf diese amerikanische Unterstützung verzichteten. Die Saudische Presseagentur schrieb, das Königreich die Vereinigten Arabischen Emirate VAE verfügten nun über genügend Flugzeuge, um selbst Luftbetankungen durchzuführen. Die amerikanische Hilfe sei nicht mehr nötig. Inwieweit die beiden Staaten über ausgebildetes Personal für die schwierigen Manöver verfügen, sagte die Presseagentur nicht.
Moralische Hilfe durch die VAE
Am vergangenen Wochenende stattete der Kronprinz von Abu Dhabi, begleitet von einer gewichtigen Delegation, dem saudischen König Salman einen offiziellen Besuch ab. Kronprinz Mohammed Ben Zaid (MBZ) gilt als Freund und Mentor des saudischen Thronfolgers MBS. Er berät seinen etwas jüngeren saudischen Kollegen unter anderem in Sachen Public Relations in den USA. Sein Besuch ist zweifellos dazu bestimmt zu zeigen, dass die VAE weiterhin hinter dem König und seinem Kronprinzen stehen.
König Salman selbst hat sich in den jüngsten Tagen mehrmals öffentlich mit seinem Lieblingssohn und Kronprinzen MBS gezeigt, um zu unterstreichen, dass dieser trotz internationaler Erschütterungen durch den Khashoggi-Mord weiterhin in seiner Gunst steht. Wahrscheinlich rechnet der König damit, dass auch seine Herrschaft zu Ende ginge, falls es zu einem Aufstand der Königsfamilie gegen den Kronprinzen käme.
Der bisherige Informationsminister der Huthis, Abdel Salam Jaber, ist auf die Seite al-Hadis übergelaufen. Er hielt in Riad eine Pressekonferenz ab, in der er die Gründe seines Abfalls erklärte und die Huthis kritisierte. Die saudische Presse schreibt, er sei schon der dritte Minister der Huthis, der überlaufe. Die Namen der beiden anderen nennt sie aber nicht.
Durchhaltepolitik des Kronprinzen
Diese diplomatischen Demonstrationen und Schachzüge, so gut wie der Versuch, in Hodeida einen klaren Sieg zu erringen, müssen im Kontext der Mordaktion von Istanbul gesehen werden. Kronprinz MBS und seine Schmeichler und Anhänger gehen darauf aus, die unangenehme Khashoggi-Affaire hinter sich zu bringen, indem sie bedingungslos zusammenhalten. So führen sie denn ihren bisherigen Kurs fort, ohne sich um die kritischen Stimmen zu kümmern, die sich weltweit und auch in den USA zu Wort melden und die – wie man vermuten, jedoch nicht wirklich vernehmen kann – im Flüsterton auch im Königreich umgehen.
Die jemenitische Bevölkerung, die immer mehr hungert, zahlt die Rechnung dafür. Die NGO „Save the Children“ schätzt, dass alleine im Jahr 2017 50’000 Kinder an Unterernährung und damit verbundenen Krankheiten gestorben seien.