Der Schriftsteller Marcel Beyer, der in diesem Jahr mit dem Büchnerpreis ausgezeichnet wird, ist seit langem mit Friederike Mayröcker befreundet. In seinen Augen ist sie „eine der grössten Dichterinnen, die das zwanzigste Jahrhundert hervorgebracht hat“. Wieder und wieder hat er sie besucht, und ihre Gespräche kreisten nicht nur um Literatur. Beyer gelingt es, das Wesen dieser Frau, die, geboren 1924, im Laufe ihres langen Lebens mit unzähligen Ehrungen geradezu überhäuft wurde, sensibel und genau zu erfassen. Im Rahmen eines ausführlichen Berichtes (FAZ vom 29. Juni 2016) schildert er auch die prekären Verhältnisse, unter denen sie aufwuchs.
Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahren war ihre Familie verarmt und lebte mehr schlecht als recht in einem einfachen Quartier im 5. Wiener Gemeindebezirk. Mayröcker wohnt in dieser „Abgrundgegend“, wie Beyer das nennt, noch heute. Sie erzählt, dass ihre Eltern sie trotz ihrer Armut auf eine Privatschule geschickt haben, zu der Kinder aus den wohlhabenderen Kreisen gingen. Aufgrund ihrer ärmlichen und erbärmlichen Kleidung fiel Mayröcker natürlich auf und eines Tages sagte ein Mädchen: „Schaut, die Fritzi sieht heute wieder so verpumpeidelt aus!“
Dieses Wort traf wie das „schwarze Wort“, über das Hilde Domin ein Gedicht geschrieben hat. Marcel Beyer kannte „verpumpeidelt“ nicht, und Mayröcker musste es ihm buchstabieren und erklären. Sinngemäss bedeute es verpfuscht, verschlammt, heruntergekommen. Zeit ihres Lebens hat sie "verpumpeidelt" nicht mehr gehört, aber dieses Wort war immer präsent, tief eingegraben als unauslöschlicher Schmerz in ihrem Gedächtnis.