Amerikas republikanische Politikerinnen und Politiker nehmen immer häufiger zur Taktik Zuflucht, sich kritischer Berichterstattung durch sogenannt liberale Medien zu entziehen. In ihren Augen kommt die Verweigerung des Dialogs einer noblen Tugend gleich.
Als die amerikanische Bundespolizei (FBI) jüngst Donald Trumps Anwesen in Mar-a-Lago in Palm Beach (Florida) durchsuchte, kannte die Empörung des Ex-Präsidenten und seiner republikanischen Parteigänger keine Grenzen. Zwar erfolgte die Aktion aufgrund eines bundesrichterlichen Beschlusses und galt der Suche nach mutmasslich illegal gehorteten Geheimakten, die Trump allenfalls aus dem Weissen Haus hatte mitlaufen lassen. Doch die Entrüstung war so riesig wie heuchlerisch und wurde fast mit Schaum vor dem Mund auf allen möglichen Kanälen kundgetan.
Donald Trump selbst liess seine Anhängerschaft wissen, sein schönes Heim werde «in dunklen Zeiten für unsere Nation belagert, überfallen und von einer grossen Gruppe FBI-Agenten besetzt». Etwas Ähnliches sei einem Präsidenten der Vereinigten Staaten noch nie widerfahren: «Es ist … eine Attacke durch Demokraten der radikalen Linken, die mich verzweifelt daran hindern wollen, 2024 als Präsident zu kandidieren.»
Das FBI als Gestapo
Senator Rick Scott (Florida) verglich das FBI mit der Gestapo und Amtskollege Ted Cruz (Texas) nannte die Hausdurchsuchung «korrupt und Amtsmissbrauch». Für den früheren Abgeordneten Newt Gingrich waren das FBI «die amerikanischen Stasi» und dessen Agenten «Wölfe, die euch fressen wollen». Ex-Trump-Berater Steve Bannon sprach vom FBI und vom US-Justizministerium als «im Grunde gesetzlosen kriminellen Organisationen», die in Mar-a-Lago unter Umständen angebliche Beweise gepflanzt hätten.
Mark Levin, Moderator der dem Ex-Präsidenten unterwürfigst ergebenen Fox News, nannte die Aktion der Bundespolizei «die schlimmste Attacke auf diese Republik in der modernen Geschichte». Einzelne Kommentatoren entblödeten sich, unverblümt von «Krieg» zu reden.
Ungeahnte Folgen
Die aggressive Rhetorik der Republikaner blieb nicht ohne Folgen. Wenige Tage später versuchte ein Bewaffneter in Ohio, das Büro des FBI in Cincinnati zu attackieren. Der Angreifer wurde bei einer Auseinandersetzung mit der Polizei erschossen. Er war ein fleissiger Kommentator auf Trumps sozialem Medium «Truth Social» gewesen, wo er die Hausdurchsuchung der Bundespolizei einen «Ruf zu den Waffen» nannte, «dem wir mit Gewalt begegnen müssen». Eine Kolumnistin der «Washington Post» titelte ihren Beitrag dazu unter Verweis auf den Sturm auf das US-Capitol wie folgt: «Der Horror von Menschen, die bereit sind, für Donald Trump zu sterben.»
So mutig sich republikanische Politiker für Donald Trump öffentlich in die Bresche werfen, so feige reagieren sie neuerdings, wenn es darum geht, kritische Berichterstattung über ihre Aktivitäten zuzulassen und sich den Fragen vor allem nationaler Medien zu stellen – etwa in Bezug auf Trumps «Big Lie», den Sturm auf das US-Capitol oder die Abschaffung des Rechts auf Abtreibung. So lassen sie denn zu Wahlveranstaltungen lediglich noch Vertreterinnen und Vertreter rechter Medien zu und lassen Fragen sogenannt liberaler Medien unbeantwortet. Sich den Zorn kritischer Medien zuzuziehen, ist für Republikaner neuerdings eine Art Ehrennadel und stärkt sie in den Augen ihrer Anhängerschaft, die seit Donald Trump zu wissen glaubt, dass die Presse «der Volksfeind» ist, und für die ein Auftritt in bestimmten Medien an Umgang mit dem Feind grenzt.
Traditionelle Abneigung
Wobei die Abneigung gegenüber der Presse innerhalb der Grand Old Party (GOP) seit den Zeiten Richard Nixons und dessen Vizes Spiro Agnew Tradition hat. Agnew beschimpfte seinerzeit Journalistinnen und Journalisten als «nattering nabobs of negativism»: als Plappermäuler des Negativismus. Ein Detail, dass Agnew 1973 aufgrund von Bestechungsvorwürfen aus seiner Amtszeit als Gouverneur von Maryland als erst zweiter Vizepräsident der USA von seinem Amt zurücktrat.
Gleichzeitig wissen amerikanische Politiker, dass sie im Zeitalter sozialer Medien und eines mächtigen rechten Medien-Ökosystems nicht mehr auf Mainstream-Medien angewiesen sind, um ihre Botschaft zu verbreiten, was im Übrigen, aber längst nicht im selben Ausmass auch einzelne Demokraten wissen. Einer Gallup-Umfrage zufolge trauen lediglich noch 11 Prozent der Republikaner den Massenmedien, wogegen es annähernd sieben von zehn Demokraten tun.
Aktiver Medien-Boykott
Ihre Verachtung lassen Republikaner die Presse auch deutlich spüren, wie unlängst Floridas Gouverneur Ron de Santis, der neben Donald Trump 2024 als aussichtsreichster Kandidat der GOP für den Einzug ins Weisse Haus gilt. Anlässlich des jährlichen Sunshine Summit der Partei im Seminole Hardrock Hotel & Casino in Hollywood (Florida) waren ausschliess konservative Medien zugelassen, während Zeitungen wie der «New York Times» oder der «Washington Post» der Zutritt verwehrt wurde.
«Es ist mir zu Ohren gekommen, dass einige Aktivisten liberaler Medien verärgert sind, weil sie dieses Wochenende keinen Zutritt zum #Sunshine Summit erhalten», twitterte die Pressesprecherin des Gouverneurs: «Meine Botschaft an sie: Versucht doch, deswegen zu heulen und geht kickboxen und trinkt eine Margarita. Und schreibt denselben Verriss, den ihr sowie geschrieben hättet.»
Unzulässige Arbeitsbedingungen
Ron de Santis und Senatskandidat J. D. Vance haben die Medien auch wissen lassen, dass sie diese Woche über eine Wahlveranstaltung der Trump-nahen Jugendgruppe «Turning Point Action» in Ohio nur berichten dürfen, falls sie sich damit einverstanden erklären, den Organisatoren des Events ihr Bildmaterial unter Hinweis auf dessen Verwendungszweck zur Überprüfung vorzulegen. Auch sollen Medien keine Tonaufnahmen von Referentinnen und Referenten machen, die dem nicht ausdrücklich zustimmen – laut einer Medienvertreterin in Ohio «höchst unübliche Bedingungen». Medienschaffende, argumentierte sie, seien für ihre jeweiligen Arbeitgeber tätig und nicht für politische Kampagnen.
Republikanische Politikerinnen und Politiker meiden nicht nur zunehmend den Kontakt zu Mainstream-Medien, sie weigern sich neustens auch, vor Wahlen an Debatten mit gegnerischen Kandidatinnen und Kandidaten teilzunehmen – an Anlässen also, die in Amerika bisher stets als Grundpfeiler des demokratischen Prozesses gegolten haben, weil sie der Wählerschaft erlauben, Volksvertreterinnen und Volksvertreter im Widerstreit der Meinungen besser einzuschätzen. Jedenfalls hat die republikanische Parteiführung (RNC) dieses Jahr einstimmig beschlossen, sich vor 2024 aus jener überparteilichen Kommission zurückzuziehen, die vor Präsidentschaftswahlen die national ausgestrahlten und stark beachteten Fernsehdebatten zu organisieren pflegt.
Ungewollte Wirkungen
Wie clever die republikanische Taktik ist, in erster LInie allem nationale Medien aussen vor zu lassen, wird sich weisen müssen. Denn für Journalistinnen und Journalisten gibt es Mittel und Wege, den Boykott zu umgehen, zum Beispiel via einen sogenannten «writearound», d. h. durch akribische Recherche und gründliche Auswertung aller möglicher Quellen, die unter Umständen aufschlussreicher sind als ein direkter Kontakt mit einer zurückhaltenden Politikerin oder einem unwilligen Politiker.
Auch denkbar, dass ein Boykott Medienschaffende zu besonderen Anstrengungen anspornt, vor Wahlen belastendes Material über bestimmte Kandidatinnen und Kandidaten auszugraben. Ferner ist nicht auszuschliessen, dass Einzelne den Medienboykott ihrer Partei durchbrechen und sich so in der Öffentlichkeit ungeteilte Aufmerksamkeit verschaffen. «Sie sind nicht auf uns angewiesen, um gewählt zu werden», sagt «Politico»-Reporter Michael Krause: «Und wir brauchen sie nicht, um über sie zu schreiben.»