Mittwoch dieser Woche war der 1000. Tag in Donald Trumps Amtszeit. Der US-Präsident verbrachte ihn nicht auf dem Golfplatz, sondern im Weissen Haus, wo er im Oval Office den italienischen Präsidenten Sergio Mattarella traf. Wie unlängst dem finnischen Präsidenten blieb auch dem Politiker aus Rom nicht viel anderes übrig, als diplomatisch gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
«Sie haben dort drüben eine Menge Sand», sagte Trump über den türkischen Einmarsch in die Kurdengebiete im Norden Syriens: «Es gibt also eine Menge Sand, mit dem sie spielen können.» Worauf Mattarella sich über seinen Dolmetscher artig für die «sehr interessanten Ausführungen» seines Gegenübers bedankte. Was Trump wiederum prahlen liess, er habe unzählige Freunde in der Heimat seines Gastes: «Ich kann Ihnen nicht sagen, wie viele italienische Freunde ich habe.»
Damit meinte der US-Präsident unter Umständen auch seinen Anwalt Rudy Giuliani, dessen Rolle immer intransparenter wird, was die Aussenpolitik des Weissen Hauses gegenüber der Türkei und der Ukraine betrifft. Giuliani, nach 9/11 noch als «Amerikas Bürgermeister» verehrt, verstrickt sich immer tiefer im Sumpf der von Eigeninteressen getriebenen Politik seines Chefs. Inzwischen sind innert einer Woche vier Geschäftspartner des Juristen in Sachen illegaler Wahlkampffinanzierung festgenommen worden. Rudy Giuliani selbst ist der Ansicht, der «tiefe Staat» wolle ihm an den Kragen, eine Einschätzung die Donald Trump uneingeschränkt teilt: «Deep State. Schändlich!».
Seit die Demokraten im Kongress ein Amtsenthebungsverfahren prüfen, ist das Verhalten des US-Präsidenten noch unberechenbarer geworden als zuvor. Trump selbst nennt den politischen Prozess «einen mutwilligen Versuch, unsere Regierung zu stürzen». Wie nahe am Wahnsinn der Amtsinhaber im Weissen Haus gelegentlich agiert, zeigen seine Äusserungen über die Kurden, denen er als Antwort auf die heftige Kritik an seiner Duldung der türkischen Militäroperation erst vorgeworfen hat, sie hätten Amerika bei der Invasion in der Normandie während des 2. Weltkriegs auch nicht geholfen.
Während der Pressekonferenz mit Sergio Mattarella ging Donald Trump dann noch weiter. Die Kurden seien «keine Engel», sagte er, und für die Vereinigten Staaten sei kein Platz in einem nahöstlichen Konflikt. Im Übrigen liege es «in der Natur der Kurden, zu kämpfen» und die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) in der Türkei, zu der die syrischen Kurden Kontakte unterhalten, sei «in vielerlei Hinsicht eine grössere terroristische Bedrohung als ISIS». Dagegen sei der Rückzug der US-Armee aus Syrien «eine strategisch brillante Entscheidung». Das alles aus dem Munde eines Präsidenten, der sich selbst als «gefestigtes Genie» bezeichnet.
Noch eine Woche vor Donald Trumps Amtsjubiläum hatte die Rubrik «Fact Checker» der «Washington Post» vermeldet, der Präsident habe innert 993 Tagen 13’435 «falsche oder irreführende» Äusserungen gemacht. Das sind im Schnitt gegen 14 unzutreffende Behauptungen pro Tag, wovon ein Fünftel auf Twitter. Einer Umfrage der «Post» zufolge glauben weniger als drei von zehn Amerikanerinnen und Amerikanern den falschen Äusserungen, die Trump am häufigsten zu wiederholen pflegt. Allein das «schöne» Telefonat mit seinem ukrainischen Amtskollegen hat dem Präsidenten jüngst 250 Unwahrheiten entlockt.
Es ist nicht anzunehmen, dass Donald Trump sich in den 460 Tagen gross ändert, die bis zur Präsidentenwahl im November 2020 verbleiben. Im Gegenteil, er dürfte im Wahlkampf noch primitiver, noch protziger und noch wirrer agieren. Schon bis jetzt hat er mehr Spenden gesammelt als die Konkurrenz, denn es gibt in den USA mächtige Interessen, die ihn vier weitere Jahre im Amt sehen wollen. Ein Impeachment-Verfahren, falls es zustande kommt, wird angesichts der Mehrheit der Republikaner im Senat kaum Erfolg haben, und Donald Trump wird bleiben, was zu sein einst Ronald Reagan vorgeworfen wurde: ein «Teflon»-Präsident, ein Amtsinhaber im Weissen Haus, an dem nichts hängen bleibt, wie dreckig seine Weste auch sein mag.