Man kennt Nelson Mandela und Desmond Tutu – aber der Sieg über die Apartheid verdankt Südafrika vielen unbekannten Helden. Rommel Roberts hat eben ein Buch über sie geschrieben.
Unter dem Titel „Wie wir für die Freiheit kämpften“ erschien vor kurzem ein Buch des Südafrikaners Rommel Roberts. Nach seinem Theologiestudium war Roberts in den turbulenten 70er- und 80er-Jahren in der Gemeindearbeit verschiedener Townships tätig, oft Seite an Seite mit dem späteren Friedensnobelpreisträger Bischof Desmond Tutu. Mit riskanten und ideenreichen Aktionen, aber stets ohne Gewalt, kämpfte er für ein gerechtes Südafrika. In seinem lesenswerten und leicht lesbaren Buch geht es nicht nur um historische Fakten im Kampf gegen die Rassenunterdrückung der weissen Minderheit gegen eine schwarze Mehrheit, sondern es sind Geschichten zur Geschichte.
Dabei tauchen u.a. die Namen vieler unbekannter Helden auf: Amelia Lackay, Anna (ohne Nachnamen), Francis Green, die Nonne Sr. Raymunda, Aunt Sue, Leen van Burg, Florrie De Villiers, Phillip Davids oder Richard Rosenthal. Und es geht um Überleben im Gefängnis, Solidarität als Kraft, Gewaltlosigkeit als Mittel und Glaube an Gott und eine neue Zukunft.
Heute könnte es der 63-jährige ruhiger nehmen. Jedoch keine Spur: Er engagiert sich mit seinem Hilltop Empowerment Center für Entwicklung, Bildung und Wiederaufbau in ländlichen Regionen Südafrikas.
Rommel Roberts:
Wie wir für die Freiheit kämpften
Von stillen Heldinnen und Helden in Südafrika
(Lokwort-Verlag, ISBN 978-3-906786-52-0)
Journal21-Interview mit Rommel Roberts
J21: Welches war für Sie, Rommel, die Motivation, nach so langer Zeit ein Buch über den Kampf gegen und zum Sieg über die Apartheid zu schreiben?
Ich war während Jahren frustriert zu sehen, wie so viele tapfere Frauen und Männer alles für den Kampf gegen die Apartheid geopfert haben. Einige wurden bekannt, aber viele starben unerwähnt in absoluter Armut. Sie haben nie Anerkennung bekommen, was für mich sehr schmerzhaft ist. So beschloss ich, viele führende Leute des ANC (African National Congress – zurzeit die herrschende Partei Red.) anzufragen, eine Publikation über diese Helden zu schreiben, aber niemand unterstützte mich. So machte ich mich auf, einige Geschichten über jene Schlüsselfiguren zu schreiben, die leider nie gewürdigt wurden. Denn diese haben eine sehr sehr wichtige Rolle gespielt.
J21: Jetzt erschien ihr Buch aber zuerst auf Deutsch und nicht in Englisch…
Ich danke Gott, dass Freunde aus der Schweiz und in Deutschland dieses Buch ermöglicht haben. Geschrieben habe ich es auf Englisch – es ist eine gewisse Tragik, dass es jetzt zuerst auf Deutsch erscheint. Aber das hilft uns, bald eine englische Ausgabe folgen zu lassen. Gerade in Südafrika muss meine Botschaft ebenso gehört werden!
J21: Was verbindet Sie speziell mit der Schweiz?
Oh, die Rolle der Schweiz für unseren Kampf gegen die Apartheid war sehr wichtig! Es war weniger die offizielle Politik Ihres Landes – die offizielle Schweiz hat sich sehr neutral verhalten – aber sie hat immerhin geheime Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition initiiert und gestützt. Für uns waren zahlreiche Basisgruppen, vor allem die kirchlichen Gruppierungen, sehr wichtig. Wir suchten Verbündete überall auf der Welt – das war die Strategie von Bischof Desmond Tutu. Ich erinnere mich noch gut: An Weihnachten 1977 kam ich in Basel an und traf mich zuallererst mit kirchlichen Kreisen und war Gast bei der Basler Mission. Es entstand ein reger Austausch, Gruppierungen aus der Schweiz besuchten uns in Südafrika, es folgten die ersten Boykottaufrufe gegen jene Wirtschaftskreise und Banken, welche aus reinem Profit die Apartheid unterstützten. Noch heute fühle ich mich mit Ihrem Land sehr verbunden und habe viele Freunde hier.
J21: Was war denn der ausschlaggebende Faktor, welcher dem Kampf gegen die Apartheid zum Sieg verholfen hat?
Da waren ganz unterschiedliche Kräfte im Spiel. Da war einmal der ANC, da war Nelson Mandela, der im Gefängnis sass, dann das wachsende Selbstbewusstsein der Schwarzen selbst und dort vor allem jene Kreise, die sich glaubhaft für eine gewaltfreie Revolution einsetzten. Die stärkste treibende Kraft kam aus dem kirchlichen Umfeld und von einzelnen Figuren aus dieser Szene, die schlussendlich zu einer Massenbewegung wurde, welche auch die Weissen nicht mehr länger ignorieren konnten. Eine gewichtige Rolle spielte auch das von uns gegründete erste Friedenszentrum in Südafrika. Kurz: Es war die Solidarität all dieser Kreise, die tagtäglich das Risiko auf sich nahmen, für ihre Überzeugzungen sogar ins Gefängnis zu gehen. Und mitentscheidend aber auch der internationale Druck von aussen.
J21: Wenn man Ihr Buch liest bekommt man den Eindruck, dass heute, 20 Jahre nach den ersten freien Wahlen und dem Untergang der Apartheidpolitik, die Pression von damals eher in eine Depression umgeschlagen hat. Was läuft denn heute schief?
Ja, leider müssen wir feststellen, dass wir weit weg von dem sind, wofür wir vor 20 Jahren so engagiert gekämpft haben. Im Land herrscht Korruption und Vetternwirtschaft; Gewalt, Kriminalität und Hooliganism haben zugenommen. Auch für uns gilt (frei nach Shakespeare): Es ist etwas faul im Staate Südafrika. Aber bereits formiert sich an der Basis eine neue Protestwelle gegen die heutigen politischen Verantwortlichen, erneut stark getragen durch kirchliche Kreise. Es braucht eine neue Zivilgesellschaft, die ihre Verantwortung wahr nimmt, sonst läuft es aus dem Ruder.
J21: Müsste man überspitzt fragen ob Korruption eine neue Form von Apartheid darstellt: Eine regierende Klasse, die sich auf Kosten der andern bereichert?
Ich würde im Moment eher von Missmanagement, von Unfähigkeit, reden. Es ist eine schwarze Elite entstanden und sie entwickelt sich genau in dieselbe Richtung wie seinerzeit das Apartheid-System. Und das frustriert die breiten Massen und sie begehren auf und sind tief enttäuscht, ja fühlen teilweise verraten. Zurzeit der Apartheid konnte man lange nichts Gutes mehr erhoffen – aber jetzt haben Millionen von Menschen auf eine bessere Zeit gewartet. Das führt tatsächlich zu einer Art Depression.
J21: Und was lässt sich dagegen tun?
Zwangsläufig führt diese Entwicklung zu einer neuen Protestbewegung. Schwarze machen jetzt Opposition gegen den ANC, für den sie doch einmal gekämpft haben. Das macht mich trotz allem zuversichtlich – es ist alleweil besser, es bewegt sich etwas als dass es beim jetzigen Zustand bleibt. Das haben wir mittlerweile jedoch gelernt: Dieser Protest muss koordiniert werden und darf sich nur diszipliniert ausdrücken. Jetzt muss sich zeigen, dass wir mit demokratischen Entwicklungen umgehen können.
Gefragt ist besonders die ältere Generation, also wir, die wir bereits graue Haare gekriegt haben. Wir haben das neue Südafrika geschaffen, und viele Junge sagen uns heute: Ihr habt die Erfahrung, ihr kennt solche Abläufe, helft uns das wieder in Ordnung bringen!
J21: Ihr Leben sieht offensichtlich noch nicht nach Ruhestand aus…
Nein – mein Kampf geht weiter!