Die oppositionellen Sozialisten haben bei der EU-Wahl nur unwesentlich besser abgeschnitten als die Parteien der noch jungen bürgerlichen Minderheitsregierung. Auf ein überraschend schlechtes Ergebnis kamen die Rechtspopulisten. An einer innenpolitischen Krise dürfte kurzfristig also niemand interessiert sein.
André Ventura, Führer der rechtspopulistisch-xenophoben Partei Chega, war Schlappen bisher nicht gewohnt. Am Sonntag hatte er aber wenig zu feiern. «Chega hatte das Ziel, diese Wahl zu gewinnen, und dieses Ziel haben wir nicht erreicht», räumte er am Abend ein. Seine Partei, die bei der Wahl des nationalen Parlaments am 10. März mit 18 Prozent der Stimmen noch 50 der 230 Sitze gewonnen hatte, hat die Wahl am Sonntag aber nicht nur nicht gewonnen. Sie bekam nur 9,8 Prozent der Stimmen und stellt damit gerade 2 von Portugals 21 Abgeordneten im EU-Parlament.
Portugal tickt anders als Frankreich und Deutschland
Anders als in Frankreich, Deutschland und Österreich hat der Ausgang dieser Wahl in Portugal keine Schocks ausgelöst. Eher lässt sich das Ergebnis dieses ersten Stimmungstests seit März als Zeichen dafür deuten, dass niemand kurzfristig an einem Sturz der erst im April angetretenen bürgerlichen Minderheitsregierung von Ministerpräsident Luís Montenegro interessiert sein kann.
Das von Montenegros Partido Social Democrata (PSD) geführte Wahlbündnis Aliança Democrática (AD) hatte die Wahl im März noch mit einem knappen Vorsprung vor dem nunmehr oppositionellen Partido Socialista (PS) gewonnen. Nun hatten die Sozialisten mit 32,1 Prozent der Stimmen knapp die Nase vorn. Sie stellen 8 EU-Abgeordnete, einen mehr als die AD, die auf 31,1 Prozent kam und 7 Abgeordnete nach Strassburg entsendet. PS-Generalsekretär Pedro Nuno Santos sah seine Partei deshalb zwar als «erste politische Kraft» im Land. Einen Sturz der Regierung und Neuwahlen provozieren zu wollen, wäre erst einmal aber riskant. Von Ministerpräsident Montenegro kam am Wahlabend zudem eine Geste der Verständigung. Er sagte, dass er eine allfällige Bewerbung von António Costa, dem im letzten November zurückgetretenen sozialistischen Regierungschef, für das Amt des künftigen Präsidenten des EU-Rates unterstützen werde.
Liberale Überraschung
Für die grösste Überraschung bei der Wahl am Sonntag sorgte derweil die noch junge rechte Iniciativa Liberal (IL). Sie konnte ihren Stimmanteil von knapp 5 Prozent bei der Wahl im März auf 9,1 Prozent verbessern und stellt 2 EU-Abgeordnete, ebenso viele wie Chega. Verluste erlitten hingegen der Linksblock und die kommunistisch geführte Allianz CDU, die mit je knapp über 4 Prozent der Stimmen nur noch je einen Sitz in Strassburg errangen; bisher hatten sie je 2 Abgeordnete gestellt.
Mit gut 37 Prozent war die Wahlbeteiligung um gut 6 Prozentpunkte höher als vor fünf Jahren (30,7 Prozent). Erstmals konnten die Wahlberechtigten ihre Stimmen an jedem beliebigen Ort im Land abgeben. Auch wer den an diesem Montag begangenen Nationalfeiertag, den 10. Juni (das ist der Tag von Portugal, der des Nationaldichters Camões und der portugiesischen Gemeinden) für ein langes Wochenende nutzte, musste deshalb den Urnen nicht fernbleiben.
Präsident Marcelo Rebelo de Sousa reist in die Schweiz
Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa nimmt den Nationalfeiertag zum Anlass für einen zweitägigen Besuch in der Schweiz an diesem Dienstag und Mittwoch. In der Schweiz leben rund 260’000 Portugiesinnen und Portugiesen. Neben Begegnungen mit Landsleuten in Genf, Zürich und Bern steht ein Treffen mit Bundespräsidentin Viola Amherd auf dem Programm des seit 2016 amtierenden portugiesischen Präsidenten.