Der Bundesrat hat ein Sparprogramm bei Angehörigen von Drittstaaten beschlossen, das fast so teuer ist wie die Einsparungen. Bei den Ärmsten spart man, das ist einfacher als bei den Reichen.
Justizministerin Karin Keller-Sutter hat mit ihrem Antrag an den Bundesrat einen bürokratischen Leerlauf ausgelöst. Es geht dabei um etwa 1500 Personen aus Staaten, die weder der EU noch der Efta angehören, die in den letzten Jahren Sozialhilfe bezogen haben. Oder offiziell: «Zwischen vier und fünf Prozent der neu zugewanderten Drittstaatsangehörigen haben fünf Jahre nach der Einreise mindestens einmal Sozialhilfeleistungen bezogen.» Künftig sollen sie während der ersten drei Jahre ihres Aufenthalts in der Schweiz etwas weniger Geld erhalten. Wie viel wird gespart? Der Bundesrat schreibt in seiner Mitteilung vom 26. Januar: «Der Anstieg der Sozialhilfekosten der Kantone und Gemeinden (soll) wenn möglich etwas gebremst werden.» Mehr ist nicht zu erfahren, die WochenZeitung hat die Ersparnisse auf etwa fünf Millionen Franken pro Jahr geschätzt.
Verwaltung muss Bericht über Bericht erstellen
Was bedeutet die Gesetzesänderung für Verwaltung und Parlament? Der Vorschlag zur Änderung des Ausländergesetzes geht auf ein Postulat des Ständerats vom Juni 2017 zurück, das der Bundesrat nicht bekämpft hat. Darauf musste der Bundesrat untersuchen, welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, um die Sozialhilfe für Ausländerinnen und Ausländer aus Drittstaaten einzuschränken. Im Juni 2019 beauftragte der Bundesrat das Justiz- und Polizeidepartement aufgrund des Berichts zu diesem Postulat, die darin enthaltenen 20 Handlungsoptionen mit einer Begleitgruppe weiter zu vertiefen. Im Januar 2020 nahm der Bundesrat Kenntnis von den Einschätzungen der Begleitgruppe und beauftragte das Justiz- und Polizeidepartement, verschiedene Gesetzesänderungen auszuarbeiten, die er schliesslich im vergangenen Januar in die Vernehmlassung geschickt hat.
Nach dem Vorschlag des Bundesrats wird die Sozialhilfe von Angehörigen von Drittstaaten gekürzt; um wie viel ist noch offen. Eine zweite Gesetzesänderung verlangt, dass im Hinblick auf die Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen geprüft werden soll, ob der Ehemann sich für die Integration der Ehefrau und der Kinder einsetzt.
Vernehmlassung und Antrag ans Parlament
Bis zum 3. Mai haben Parteien, Kantone, Verbände Gelegenheit – es handelt sich um über 40 Adressaten –, zu den Vorschlägen Stellung zu nehmen. Es liegt auf der Hand, dass sehr unterschiedliche Stellungnahmen eingehen werden, was die Auswertung der Ergebnisse beim zuständigen Departement erschweren wird. In der Folge wird die Botschaft des Bundesrats ans Parlament mit den bereinigten Vorschlägen der Gesetzesrevision ausgearbeitet und vom Bundesrat beschlossen werden. Danach haben sich die eidgenössischen Räte mit der Herabsetzung der Sozialhilfe während der ersten drei Jahre Aufenthalt in der Schweiz zu befassen. Zuerst beraten die Kommissionen die Vorlage, danach National- und Ständerat. Schon heute ist anzunehmen, dass von den Sozialdemokraten und den Grünen Opposition zu erwarten ist, da ihrer Meinung nach der Bund nicht auf dem Buckel der Schwächsten sparen sollte. In den Kommissionen und in den Räten wird es zu Auseinandersetzungen kommen; ein Referendum gegen die Gesetzesänderung ist nicht auszuschliessen.
Grosser Aufwand mit bescheidenem Ergebnis
Es ist deshalb abzusehen, dass der grosse Aufwand, den zuerst die Bundesverwaltung, dann die Kommissionsmitglieder und die Parlamentarier der eidgenössischen Räte zu erbringen haben, in einem Missverhältnis stehen wird zum Gewinn, das heisst dem etwas verminderten Aufwand für die Sozialhilfe von Kantonen und Gemeinden. Ich erlaube mir deshalb eine polemische Bemerkung: Würde der gleiche akribische Aufwand getrieben, um Geldwäscherei oder Steuerhinterziehung und Steuerbetrug zu bekämpfen, wäre der Ertrag ungleich höher.
Der Gerechtigkeit halber ist zu erwähnen, dass ein Argument für die Gesetzesänderung darin besteht, einen Anreiz zu schaffen, dass sich Ausländerinnen und Ausländer aus Drittstaaten besser und schneller in den Arbeitsmarkt integrieren. Das ist ein wichtiges und willkommenes Ziel. Allerdings scheint mir die Drohung mit reduzierter Sozialhilfe nicht das geeignete Mittel zu sein: Erfolgreicher wäre die individuelle Förderung und Unterstützung auf der Suche nach einer Arbeitsstelle.
Erleichterung für vorläufig Aufgenommene
Der Bundesrat macht auch einen willkommenen Vorschlag. Personen, die kein Asyl erhalten, aber wegen Krieg oder anderer Gewalt nicht in ihr Land zurückgeschickt werden können, die sogenannten vorläufig Aufgenommenen, sollen rascher eine Aufenthaltsbewilligung erhalten. Aufgrund der Härtefallregelung soll diesen Menschen ermöglicht werden, nicht erst, wenn sie berufstätig und finanziell selbstständig sind, eine Bewilligung zu beantragen, sondern bereits, nachdem sie eine berufliche Ausbildung begonnen haben. Diese erwünschte Änderung liegt in der Kompetenz des Bundesrats. Ob sie auch verwirklicht wird, hängt jedoch vom guten Willen der Kantone ab. Sie sind für die Anwendung der Gesetze zuständig und haben einen grossen Ermessensspielraum. Auch wenn ein Kanton ein Gesetz sehr eigenwillig anwendet, scheut sich die zuständige Stelle in der Bundesverwaltung, den Kanton zu mahnen oder zu tadeln. So gibt es Kantone, die den vorläufig Aufgenommenen, die seit mehreren Jahren berufstätig und finanziell unabhängig sind, die Aufenthaltsbewilligung verweigern.