Die Annahme einer neuen Verfassung im Königreich Thailand am vergangenen Wochenende bietet Gelegenheit, die aktuelle Entwicklung der Association of South East Asian Nations – Asean – einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Das Resultat fällt ernüchternd aus. Die neue Thai-Verfassung schafft Vorrechte für das Militär und für eine privilegierte Kaste, bedeutet also einen grossen Schritt in die falsche Richtung. Die Kluft zwischen dem ärmeren ländlichen Norden und dem reicheren städtischen Süden wird vertieft. Die Zukunft des Landes wird dadurch noch stärker gefährdet.
Oligarchen auf dem Vormarsch
Wie brisant die Lage jetzt schon ist, lässt sich an zwei Skandalen ablesen. In Malaysia sorgt derzeit ein gigantischer Korruptionsfall für Aufregung. Und indonesische Palmölproduzenten sind für die Luftverpestung – toxic haze – über Java, Sumatra, Singapur und Malaysia verantwortlich. Beide Phänomene zeigen, dass demokratische Kontrollen versagen und die Oligarchen auf dem Vormarsch sind.
Die Art beider Skandale ist durchaus verschieden, aber der Mangel an Korrekturmöglichkeiten weist Asean-typische Züge auf. Politische, wirtschaftliche und finanzielle Interessen einiger weniger Personen an der Spitze der Staaten setzen sich gegen die noch fragilen Bürgergesellschaften in Südostasien durch. Wenn dazu noch die Religion – im Falle Indonesiens und speziell von Malaysia ein konservativer bis radikaler Islam – die Korruption begünstigt, steht es um den Rechtsstaat und die Menschenrechte noch schlechter.
Fatale Einstimmigkeitsregel
Die Asean ist ein äusserst heterogenes Gebilde, zusammengehalten durch Geographie und Nähe zur Grossmacht China. Sie besteht aus grossen Mittelmächten (Indonesien, Vietnam), kleinen Mittelmächten (Philippinen, Malaysia, Thailand, Myanmar/Burma), Kleinstaaten (Kambodscha, Laos, Singapur) und Mikrostaaten (Brunei, ewiger Beitritts-Kandidat Ost-Timor); diese sind sowohl wirtschaftlich und sozial völlig unterschiedlich entwickelt als auch ethnisch, historisch und religiös ausserordentlich heterogen.
Innerstaatliche Souveränität ist sakrosankt; entsprechend gilt bei allen Entscheidungen der Asean die Einstimmigkeitsregel. Das erschwert pragmatische Lösungen auch kleinerer zwischenstaatlicher Probleme. Zumeist werden sie unter den Teppich gekehrt, was zweifellos besser ist als militärische Auseinandersetzungen.
Der wichtigste Konflikt
Von ganz anderem Kaliber ist der Konflikt um Territorialgrenzen, welcher im Ostchinesischen Meer China gegen Japan und im Südchinesischen Meer China gegen die Asean-Staaten Vietnam, die Philippinen, Malaysia und Brunei, und zudem gegen Taiwan, aufbringt. Im jüngst ergangenen Urteil des von Manila angerufenen Uno-Seegerichtshofes werden die chinesischen Ansprüche in Bausch und Bogen verworfen. Beim raschen Ausbau von Stützpunkten mitten in den umstrittenen Zonen handelt es sich also um ein reines Powerplay von Seiten Pekings, welches im Rahmen einer generellen Aufrüstungskampagne das Meer vor seiner Küste zum sicherheitspolitischen mare nostrum machen will.
Angesichts dieser nun klar als völkerrechtswidrig gebrandmarkten Aggression hätte man sich eine geeinte Asean-Front gegenüber den chinesischen Ansprüchen vorstellen können. Weit gefehlt. Die beiden De-facto-Satelliten Chinas, Kambodscha und Laos, verhindern seit Jahren auch nur die Erwähnung dieses Konfliktes in gemeinsamen Verlautbarungen.
Farbe bekennen
Aber auch das Asean-Schwergewicht Indonesien, Mitglied der G-20, hat sich nach diesem wegweisenden Urteil kaum gerührt. Zu wichtig sind Jakarta seine Wirtschaftsbeziehungen zu China, und es verharrt in ängstlicher Äquidistanz zwischen Peking und Washington. Daher scheut es eine Stellungnahme zugunsten der Philippinen.
Allein die USA bieten Peking im Südchinesischen Meer die Stirn. Sollte es eines Tages zu einer verschärften Konftrontation kommen, werden die Asean-Staaten wohl doch Farbe bekennen müssen.