Der mittelalterliche Turnierharnisch begeistert als handwerkliche Meisterleistung das Auge. Ein edles Beispiel ist die aus der Mitte des 16. Jahrhunderts erhaltene und in Schaffhausen gezeigte Königs-Garnitur von Kaiser Maximilian II. Sie entstand mit Sinn für Präzision, praktische Tauglichkeit und Schönheit in der Ausgsburger Werkstatt des berühmten Plattners Matthäus Frauenpreiss d. Ä. und besteht aus mehreren Einzelstücken, die sich - ganz modern - nach dem Baukastenprinzip passgerecht montieren lassen: für den Gebrauch zu Pferd oder zu Fuss, im Feld oder im Turnier. Mit Einzelheiten beeindruckt die Ausstellung so sehr wie mit dem Einblick in ritterliche Zusammenhänge. Spannende und verbürgte Realitäten bringen unser romantisches Schwärmen auf die historisch richtige Bahn.
Inszenierungen des adligen Stolzes
Im 15. Jahrhundert war Schaffhausen mehrmals Schauplatz grosser Ritterturniere. Sie sind in den Berichten zweier spanischer Gesandten, die vom Basler Konzil in die Munotstadt reisten, hervorragend wie sonst nirgendwo dokumentiert.
Aus diesen Quellen schöpft die Ausstellung. Sie vermittelt mit Rüstungen und Waffen, mit zeitgenössischen Schriften und Abbildungen leicht fassbare Erklärungen zum ritterlichen Selbstverständnis, der wichtigen Rolle der Frauen, zum Turnierverlauf, zu den kämpferischen Anforderungen an Ross und Reiter und den üppig gefeierten Festen mit Banketten und Tänzen. Es waren pompöse, auch das Volk in den Bann ziehende Inszenierungen des adligen Stolzes.
Auf der VIP-Tribüne
Die von Museumsdirektor Peter Jezler kuratierte Ausstellung bittet die Besucherinnen und Besucher gewissermassen auf die VIP-Tribüne, von der aus das Geschehen auf dem Turnierplatz und in den Festsälen erlebnisstark verfolgt werden kann.
Die Lust ist gross, sich ins Stechzeug von Erzherzog Sigismund von Tirol zu zwängen, sich mit dem Fuchs aus dem Besitz Kaiser Ferdinands I. zu behelmen, einen grandiosen Federbusch zu berühren und aus einem kostbaren Trinkgefäss den Durst zu stillen.
Und selber im Sattel sitzen, das Pferd aus dem Stand auf dreissig Stundenkilometer beschleunigen, auf den Gegner zureiten und die vier Meter lange Holzlanze an dessen Schild oder Helm zersplittern lassen? Das ist denn doch ein zu kühner Gedanke.
Live dabei
Wer die Unmittelbarkeit sucht, findet sie vom 10. bis 20. Juli bei den Live-Ritterspielen am Originalschauplatz auf dem Herrenacker inmitten der Altstadt.
Vorträge, eine internationale Fachtagung, Konzerte und ritterliche Stadtführungen ergänzen das Programm.
Generöse Unterstützung
Das Kunsthistorische Museum Wien und weitere an die zwanzig Museen, Archive und Private steuerten wertvolle Leihgaben bei.
Was es an ausserordentlichen Mitteln für die wahrhaft fürstliche Ausstellung brauchte, bewilligte die Sturzenegger Stiftung Schaffhausen generös.
"Ritterturnier - Geschichte einer Festkultur", Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, bis 21. September 2014, www.allerheiligen.ch