Jede Partei hat Themen, mit denen sie einfach nicht vorankommt: Für die eine ist es der Umweltschutz, für eine andere die Höhe der Sozialausgaben, für eine dritte ein bestimmtes Wählersegment, das sie gerne hätte, aber nicht überzeugen kann. Ein Lippenbekenntnis jagt zwar das andere, und Partei-Aushängeschilder überbieten sich in Versprechen und Verlockungen. Aber wenn es wirklich darauf ankommt, Gesetze zugunsten des vielbeschworenen Profils zu ändern oder zu initiieren, fehlen Mut und Überzeugungskraft. Das angestrebte Ziel entpuppt sich als Fata Morgana.
Am vergangenen Donnerstagabend stellten sich zum ersten Mal die 17(!) Kandidaten der Republikanischen Partei gemeinsam der Öffentlichkeit vor. Nach der durch Publikumsumfragen getroffenen Auswahl gab es eine A-Vorstellungsrunde und eine B-Performance: Die zehn, die bisher bei den potentiellen Wählern am meisten gepunktet hatten, durften zur Prime time, gesponsert von Facebook und dem erzkonservativen Sender Fox News, gegeneinander antreten. Die sieben anderen waren die Aufwärmrunde für den grossen Event.
Probleme bei Wählerinnen
Eines der vielen Probleme, die die GOP (einstmals Abkürzung für die “Grand Old Party” – ehrlich!) hat, ist die Tatsache, dass sie bei den Wählerinnen nicht so gut ankommt. Seit Jahren heisst daher ein parteiinternes Krisenthema: Wie erreichen wir potentielle Wählerinnen? Und zwar, wenn möglich, nur für die wichtigen Wahltermine, denn die Probleme, die viele dieser Frauen mitbringen (Alleinerziehende auf Sozialhilfe, Arbeitslose, Schulabbruch, Suchtgefährdung usw.) würden in der immer noch vorgetäuschten heilen Welt der republikanischen Wähler doch eher störend wirken.
Am letzten Donnerstag also bestand die Chance, die Gunst der Wählerinnen zu erringen. Da Selbstironie ein Begriff ist, den man den meisten Republikanern erst erklären muss, darf man annehmen, dass der Anlass von vielen hochbezahlten Wahlstrategen sorgfältig orchestriert und nicht als Witz gedacht war. Da könnte manch einem spontan der Text einer der schönsten Balladen der amerikanischen Popmusik in den Sinn kommen: “Send in the Clowns.” Er ist die schmerzerfüllte Analyse einer Beziehung, die nicht hat sein sollen. Man kann nur hoffen, dass dieser Donnerstagabend zu ähnlichen Einsichten bei den Wahlkampfstrategen führen wird. Denn da gibt es ein paar Punkte, die einen zweifeln lassen, ob dieser Anlass potentielle Wählerinnen überzeugen konnte.
Wahnsinn mit Methode?
Offensichtlich hat die Parteileitung bewiesen, dass sie den Oberclown nicht domestizieren kann. Okay. Aber vielleicht ist das Wahnsinn mit Methode: Je mehr er sich exponiert, desto einfacher wird es für die anderen Kandidaten, ihre an sich sehr ähnlichen Ansichten zu artikulieren – politisch korrekt natürlich, was aber nur dünn verschleiert, wie erzkonservativ sie sind. Die meisten würden sich wohl kaum mit dem Unternehmer-Milliardär öffentlich solidarisieren, der sich zum Beispiel weigert, seine Qualifizierung gewisser Frauen als “fat pigs” zurückzunehmen. Doch bei den Dauerthemen Abtreibung oder Sozialhilfe haben sie weniger Berührungsängste.
Und das interessiert dann eben auch potentielle Wählerinnen, denn so sind sie immer auf dem neuesten Wissensstand, wer, wenn Präsident, die staatlich geförderte Familienplanung abschaffen würde oder welcher Mann festschreiben möchte, dass auch aus Inzest und Vergewaltigung entstandene Schwangerschaften ausgetragen werden müssen.
Zur Zeit sind 22 Menschen in den USA der Überzeugung, dass sie nicht nur das Land regieren, sondern auch die bedeutende Rolle, die die heutige Weltpolitik dem Präsidium des Landes zumisst, übernehmen könnten. Wenn man bedenkt, dass der mit Abstand fähigste und höchstgeschätzte Präsident, nämlich Abraham Lincoln, gedrängt werden musste, zu kandidieren (obwohl seine Partei nicht an seinen Sieg glaubte und ihn lediglich als Lückenfüller sah), darf man wohl das Wort Inflation ins Spiel bringen: Wer will noch mal, wer hat noch nicht? Dass die 17 Republikaner aber so früh im Spiel zeigen, wie wenig sie in der “richtigen” Welt angekommen sind und wie sehr sie das Amt kleingeredet haben, nur um dem derzeitigen Präsidenten zu schaden, überrascht dann doch.
Zehn Männer in den Startlöchern
Was bleibt von dieser Premiere (es sollen von jetzt an jeden Monat im Herbst und Winter solche Darbietungen zu sehen sein)? Die Empfehlung für einen dringenden Reality Check sowie ein Bild, das um die Welt gegangen ist und sich hoffentlich bei vielen potentiellen Wählerinnen im Kopf festsetzt: Es zeigt zehn Menschen, die sich um das wahrscheinlich immer noch wichtigste Amt der Welt bewerben – zehn Männer. Im Jahre 2015. Die Frauen werden sich vor Begeisterung kaum halten können. Und die Begeisterung in den eigenen Reihen ist so gross, dass sich weibliche GOP-Landesvorsitzende und -Strateginnen öffentlich fragen, wie sehr dieses Spektakel und vor allem das Foto der Partei geschadet haben mögen. Wie heisst es doch gegen Ende der Pop-Ballade: “Send in the clowns! Don’t bother! They’re here.”
Aber halt! Da gibt es noch ein PS zu diesem Auftritt, der zeigt, dass dennoch republikanische Wahlhilfe für Frauen stattgefunden hat.
Und eine Frau
Unter den 17 Kandidaten gibt es eine Frau: die ehemalige Hewlett-Packard CEO Carly Fiorina. Sie möchte der Partei zu dem Ruhm verhelfen, die erste Präsidentin der Vereinigten Staaten gestellt zu haben, obwohl sie noch nicht ein einziges politisches Amt innegehabt hat. Naja, es gibt ja auch weibliche Clowns, nicht wahr? Nun, sie war in die B-Vorstellungsrunde relegiert worden, weil niemand in der Partei diese Kandidatur ernst nimmt (wo sie Recht haben, haben sie Recht), musste sich also nicht mit dem Oberclown herumschlagen und konnte der B-Truppe sowie einer nur milde interessierten Öffentlichkeit mal zeigen, was sie so zu bieten hat.
Offenbar war diese sichtlich Nicht-Qualifizierte aber besser als ihre sechs männlichen B-Konkurrenten, und so haben die Republikaner doch etwas erreicht: Die einzige Frau ist auch das Einzige, was die Medien erwähnenswert finden. Die Kommentatoren zeigen sich überrascht, wie gut sie sich geschlagen hat. Das wird ihr keine Nomination einbringen – es sei denn, Hillary Clinton würde von den Demokraten nominiert und jemand im GOP-Lager käme auf die Schnapsidee, eine Frau gegen eine Frau antreten zu lassen.
Unmöglich? Darf ich daran erinnern, dass es die GOP war, die sich vor noch nicht allzu langer Zeit eine Sarah Palin als Vizepräsidentin der USA vorstellen konnte? Keine Nomination als Präsidentenkandidatin, aber ein Stück der überaus wichtigen Medienaufmerksamkeit hat sie sich damit errungen. Frauen sollten jetzt sensibilisiert sein – und aufgeschreckt.