Die Forderung der USA ist glasklar. Sie möchten von zehn Banken, darunter die Credit Suisse, Julius Bär, Wegelin, ZKB und Basler Kantonalbank, Auskünfte, wie viele US-Steuerpflichtige zwischen 2002 und 2010 mehr als 50 000 Dollar dort angelegt hatten. Bis heute. Or else ...
Ersparen wir uns an dieser Stelle das übliche Gejammer, dass man so unter Freunden nicht miteinander umgeht. Ersparen wir uns den Hinweis, dass das keine rechtsstaatliche Politik, sondern die extraterritoriale Anwendung von US-Recht in der Schweiz, reine Machtpolitik ist. Also eigentlich eine Sauerei. Zielführender, wie man in Managerkreisen gerne sagt, ist die Antwort auf eine alte Frage: Warum leckt sich der Hund die Eier? Weil er’s kann. So sehen das die USA, und der Finanzplatz Schweiz wird schätzungsweise weitere 2 Milliarden zahlen, der Löwenanteil wird auf die CS entfallen, und Tausende von Kundendaten herausgeben. Or else ...
UBS-Krise
Da muss man präzisieren. Gemeint ist nicht die aktuelle UBS-Krise, auch nicht die grosse. Sondern die Nebenkrise, als die Schweizer Regierung mit einem erst im Nachhinein geflickten klaren Rechtsbruch die Bank rettete, indem sie ihr die Herausgabe von Tausenden von Kundendaten an die USA ermöglichte. Unter Anwendung von Notrecht und angeblich, um den Finanzplatz Schweiz zu schützen. Mit diesem Verrat an ihren Kunden und der Zahlung von 780 Millionen Dollar wand sich die UBS gerade noch aus der Schlinge um den Hals. Das war im August 2009. Seither wusste jeder Banker: Damit ist die UBS aus dieser Nummer raus, aber keinesfalls der Finanzplatz Schweiz.
Banker-Krise
Und was geschah? Nichts. Ausser: Diverse UBS-Mitarbeiter, deren noch nicht entdeckte US-Steuerhinterzieherkunden dieser Schwarzgeldbunker zu heiss geworden war, zügelten mitsamt diesen Vermögen zu anderen Schweizer Banken, die sie mit offenen Armen empfingen. Es galt mal wieder das gute, alte Prinzip: Was ist schon der Bonus von heute gegen mögliche Probleme von morgen? Und überhaupt: Wenn es allenfalls wieder brennt im Dachstock, dann kommt sicher die Staatsfeuerwehr und löscht nochmals; kennen wir doch schon. Alle Banker wussten, dass die USA seither wissen: Wenn wir genügend Druck aufsetzen, dann sagen die Eidgenossen zuerst ein paar markige Worte, rufen ihren modernen Rütlischwur, das Bankgeheimnis an – und knicken ein. Alle Banker wussten: Es wurde mit den USA keine Gesamtlösung ausgehandelt, im Gegenteil, die Amis behielten sich im August 2009 ausdrücklich vor, gegen andere Banken weiter zu ermitteln, nur die UBS war vom Haken.
Spezialfall Credit Suisse
Niemand kennt diese Problematik besser als die beiden Führungsfiguren der CS. Ihr CEO Brady Dougan, genau, der mit dem 90-Millionen-Salär, ist von Haus aus US-Investmentbanker, begann als Derviate-Händler bei Bankers Trust (von der Deutschen Bank geschluckt), war dann Leiter Investmentbanking bei der CS und ist seit 2007 Boss der Bank. Der Ende April frisch gekürte Verwaltungsratspräsident der CS, Urs Rohner, war von 2004 bis 2009 sogenannter Group General Counsel, das ist Banglisch für oberster Jurist. Also zuständig für die Überprüfung der rechtlichen Korrektheit der Gestaltung von Kundenbeziehungen. Der Dritte im Bunde, der Chef Private Banking Walter Berchtold, als Hardliner in der Auseinandersetzung um verröstete Spargroschen von Lehman-Opfern zu unrühmlicher Bekanntheit gelangt, wurde bereits aus der Schusslinie genommen und zum Chairman Private Banking wegbefördert.
Wie die drei Affen
Was hat der geballte und mit Multimillionengehältern unterfütterte Sachverstand dieser drei Herren seit 2009, also seitdem es glasklar war, dass die USA mit dem Finanzplatz Schweiz noch lange nicht fertig sind, so hingekriegt? Was haben darüber hinaus Dutzende von wohlbezahlten Mitarbeitern des Legal Department, Banglisch für Juristenabteilung, des Risk Managements, von Strategie-Abteilungen, also insgesamt Hunderte von Finanzkoryphäen, unterstützt von Heerscharen von Zuträgern, Personal Assistents, unter Verursachung von phänomenalen Spesenrechnungen, in diesen zwei Jahren hingekriegt? Für dieses Resultat braucht man weder eine Excel-Tabelle noch eine Powerpoint Präsentation: überhaupt nichts. Nada, nix, rien. Eine Bestätigung für meine schon lange gehegte Vermutung, dass auf dem Schreibtisch jedes leitenden Bankangestellten die drei Affen stehen: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.
Das binäre Denken
Wie lässt sich dieses wirklich befremdliche Phänomen erklären, dass nicht nur die CS seit mindestens genau zwei Jahren wusste, dass die USA, nachdem sie die UBS erfolgreich an die Wand gedrückt hatten, ganz sicher Lust auf mehr haben? Und keine erkennbare Verteidigungslinie aufgebaut wurde? Wie lässt sich das Phänomen erklären, dass nicht nur die CS seit genau zwei Jahren wusste, dass die Schweizer Regierung im Ernstfall bereit ist, eine tödliche Bresche ins Schweizer Bankgeheimnis zu schlagen? Und die USA das auch wissen. Es lässt sich nur, so erschütternd das auch ist, mit binärem Denken erklären. Es passiert nichts, also null, Business as usual. Es passiert was, also eins: Konnte man vorher nicht wissen. Und jetzt? Nun, gönnen wir uns noch einen Lacher, obwohl das zum Heulen ist, und zitieren den Präsidenten der Schweizerischen Bankiervereinigung, Patrick Odier: «Die Amerikaner wissen, dass die Schweiz keine Bananenrepublik ist.» Dann sollten aber zumindest schleunigst die drei Affen von den Schreibtischen der Bankenbosse verschwinden.