Kein anderer Berufsstand hat es innert kürzester Zeit geschafft, sein Ansehen so gründlich zu ruinieren wie der Banker. Sein Name ist zum Synonym geworden für Gier, Verantwortungslosigkeit, Unfähigkeit und Realitätsverlust. Zudem gibt es keine andere Wirtschaftsbranche, in der die völlige Haftungsfreiheit der Handelnden, die Abkoppelung persönlicher Bereicherung vom Unternehmensergebnis so ausgeprägt ist. Hinter diesem Feindbild verstecken sich aber die wahren Schuldigen. Denn all dieses üble Handeln ist – legal.
Der menschliche Faktor
Hand aufs Herz, wer würde dieser Versuchung widerstehen? Mit etwas Gequatsche oder ein paar Klicks auf der Computertastatur Tausende, Hunderttausende, ja Millionen verdienen. Legal, völlig unabhängig von den dadurch bewirkten Folgen, ohne Wertschöpfung, häufig auf Kosten der eigentlichen Besitzer des Unternehmens oder gar der Allgemeinheit. Wohl nur jemand, der den kantschen Imperativ verinnerlicht hat und konsequent lebt. Also niemand. Die Frage ist doch vielmehr: Wieso können weltweit ein paar Zehntausend Banker die Finanzwelt eins um andere Mal an die Wand fahren, sich dabei unmässig bereichern und die Folgeschäden den dabei verlumpenden Staaten aufbürden?
Die eigentlichen Versager
Seit dem Beginn der Finanzkrise 1 im Jahre 2008, seit dem Platzen der Hypothekarblase in den USA werden wir von Politikerwortblasen zugeschüttet. Ein Obama, die gesamte europäische Regierungsriege, alle Eurokraten, auf einer unüberblickbaren Anzahl von Gipfeln, Spitzentreffen der bedeutendsten Wirtschaftsmächte der Welt, verkündeten eins ums andere Mal: So geht das nicht weiter. Wir werden dem ausser Rand und Band geratenen Derivatecasino, absurden Spekulationswetten, der Macht von Hedgefonds, Schattenbanken, den weitgehend unregulierten «over the counter»-Geschäften einen Riegel schieben. Die virtuelle Geldwolke von mehr als 800 Billionen Dollar, aus der individuelle Gewinne und gesellschaftliche Verluste in Multimilliardenhöhe heraustropfen, auflösen. Geschehen ist bis heute – nichts.
Das grosse Gähnen
Es ist nicht in erster Linie Dummheit oder Unfähigkeit, die die Regierenden daran hindert, dem Weltfinanzsystem wieder seinen sekundären, eigentlich unwesentlichen Platz zuzuweisen, den er über Jahrhunderte hatte. Geld entgegennehmen, Geld ausleihen, an dieser Tätigkeit anständig verdienen. Das war die Funktion eines Finanzinstituts, das sollte sie sein. Nichts Langweiligeres auf der Welt, als Sicherheiten oder Investitionspläne zu überprüfen und eine entsprechende Risikoprämie namens Zins festzulegen. Kann jeder Depp, der die Grundrechenarten beherrscht. Und in der Lage ist, als Höchstleistung einen Ausflug in die Zinseszinsrechnung zu unternehmen. Plus eine gewisse Fähigkeit hat, mögliche Risiken abschätzen zu können. Warum gilt das nicht mehr?
Das Drecksspiel
Ein verlumpender Staat braucht frisches Geld. Dafür begibt er Staatsanleihen, die ihm von Privaten, institutionellen Anlegern und Banken abgekauft werden. Im Vertrauen darauf, dass ein Staat als erstklassiger Schuldner seine Kredite wieder zurückzahlt. Seitdem in Europa nicht nur Griechenland oder Spanien sagen: Kann sein, kann auch nicht sein, haben die Gläubiger ein Problem. Sie müssten ihre Staatspapiere so massiv abschreiben, dass sie eigentlich ihre Bilanz zu deponieren hätten, Totalschaden.
Also missbrauchen die Regierenden die europäische Notenpresse EZB. Ein Drecksspiel. Der spanische Staat rekapitalisiert seine Banken. Er übernimmt dafür ihre eigentlich wertlosen Aktien und bezahlt das mit eigentlich wertlosen Staatsschuldpapieren. Diese hinterlegen die Banken als Sicherheit bei der EZB und bekommen dafür neu hergestelltes Geld. Weil niemand ausser der EZB diesen Schrott als Sicherheit akzeptieren würde.
Zu Ende denken
Während der Markt Spanien nur noch Geld zu nicht refinanzierbaren 5 bis über 7 Prozent leiht, bekommt Spanien auf diese Art von der EZB Geld faktisch gratis. So verklammert sich die Schuld der spanischen Banken, irrwitziges Verzocken in einer Immobilienblase, mit der Schuld der spanischen Regierung, irrwitzige Verschuldung, ohne damit Wirtschaftswachstum zu generieren. Irrwitziges Resultat: Zwei Komplizen im Verbrechen werfen sich gegenseitig Schuldzuweisungen zu. Dank immer noch grösserer Reputation gewinnen die Regierungen in dieser Erregungsbewirtschaftung bislang gegen die Banker. Da aber der Staat die Banken kontrollieren könnte, und nicht umgekehrt, trägt derjenige die Hauptschuld, der seinen Handlungsrahmen nicht ausnutzt. Banker tun das, Regierungen nicht.
Die entscheidende Stellschraube
Man kann es nicht oft genug wiederholen: Schuldzinsen als Risikoprämie für den Gläubiger und als Hürde für den Schuldner sind die entscheidende Stellschraube in der Finanzwelt. Ihre Höhe bestimmt der Staat über den Leitzins der Notenbank. Seit der wichtigste Treibstoff der Volkswirtschaft, Geld, gratis ist, werden Blasen aufgepumpt und platzen. Dass sich Banker, Zocker und Spekulanten daran dumm und krumm verdienen, ist unerträglich, aber nicht ihre Schuld. So viel Gerechtigkeit muss sein. Da aber die Herren über diese Stellschraube, letztlich die Regierungen, ihre eigenen Staatsschulden nicht mehr refinanzieren könnten, wenn sie einen akzeptablen Leitzinssatz von inflationsbereinigt mindestens 3 Prozent dekretieren würden, werden wir ungebremst in den Abgrund fahren. Mit hundert Prozent Staatsgarantie.