Es blitzt und donnert am Wirtschafts-Himmel. Stürmische Windböen wirbeln Bruchstücke des abgedeckten staatlichen Politgebäudes durch die Lüfte. Die Gesellschaft reagiert verängstigt, verkriecht sich im vermeintlich sicheren Luftschutzkeller des Nationalismus. Wir schreiben das Jahr 2019.
Alles hängt mit allem zusammen
Auch wenn das Primat des Marktes vor dem des Staates seit über 100 Jahren von berühmten Ökonomen verkündet und bald 50 Jahren tatkräftig von politischen neoliberalen Staats-Präsidenten durchgepeitscht wurde – das Ende dieser Ära ist sicht-, ja greifbar. Jahrzehntelang hat man sich gestritten, welche Gesellschaftsform effizienter sei und ebenso lang lehrten Hochschulen die Vorteile des alles regelnden Marktes. Doch seit mehreren Jahren, vor allem seit der Weltwirtschaftskrise 2008, verstärkt sich das mulmige Gefühl des eigentlichen Kontrollverlusts – für den, der je der irrigen Meinung war, Wirtschaft und Politik kontrollieren zu können.
Der freie Markt regelt eben nicht alles. Deregulierung und Privatisierung – das Mantra des Neoliberalismus – zeigen unerwartete Spätfolgen. Die zu sture, alleinige Ausrichtung auf wirtschaftliches Wachstum, die sklavische Unterordnung der Geschäftspolitik nach dem modischen Diktat des Marktanteil-Wachstums, der Gewinnsteigerung und des Hochtreibens der Aktienkurse durch Aktienrückkäufe; diese Agenda der Global Leaders ist der eigentliche Grund des Ideen-Vakuums, das um sich greift. Bei den ersten Anzeichen der Wachstumsstagnation greift Nervosität um sich. Da hilft auch kein Davos-Weltwirtschafts-Treffen der Eliten weiter.
Die liberale Marktwirtschaft
Wer sich zurückerinnert an den einstigen klassischen Liberalismus weiss, was damit gemeint war: der Staat soll uns möglichst in Ruhe lassen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die liberale Marktwirtschaft hat nicht nur grosse Verdienste, willkommenen Wohlstand und berechtigte Akzeptanz hervorgebracht – sie hat diese Auszeichnungen auch verdient. Im Verbund mit der freiheitlichen Politik vieler Staaten ist sie nach wie vor z. B. jeder kommunistischen Staatsform überlegen. Leider hat dieser Erfolg auch falsche Jünger gezüchtet. Im Verlauf der Jahrzehnte wurde die ursprüngliche, liberale Idee immer mehr durch Übertreibungen und egoistische Zuspitzung pervertiert – schliesslich profitierten immer weniger selbsternannte Spitzenmanager in Grosskonzernen. Gleichzeitig vergrösserte sich die Masse der abgehängten, arbeitslosen Arbeitnehmer in vielen Gegenden (Produktions-Auslagerung). Zwar ist der Wettbewerb als Antrieb zur Leistungssteigerung nach wie vor dem staatlichen Diktat überlegen. Doch Wettbewerb allein macht nicht alles möglich.
Die ganzheitliche Sicht aller Zusammenhänge ging verloren. Dies rächt sich in der Gegenwart. Zwar sind wir in der Schweiz mit unserem Netz der KMUs und der direkten Demokratie etwas weniger direkt betroffen, doch ausklinken aus dem globalen System können auch wir uns nicht.
Weltwirtschaft mit Zukunft
Sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft wollen die Anhänger überholter Doktrinen immer noch nicht wahrhaben, dass ihr Erfolg zukünftig davon abhängen wird, ob sie rechtzeitig die neuen Trends erkennen: Weder ausschliesslich Links-, noch Rechtsorientierung (Politik) und weder nachfrage- noch angebotsabhängige Strategien (Wirtschaft) werden allein einen nachhaltigen Erfolg garantieren. Beides ist untrennbar miteinander verknüpft. Schliesslich hängt das Wohlergehen der Gesellschaft davon ab, dass sich politische und ökonomische Systeme ideal ergänzen, unter gemeinsamer Berücksichtigung von Abhängigkeiten und Folgen. Dass dazu auch – je länger je mehr – das ökologische System gehört, wäre eigentlich seit langem bekannt. Der Klimawandel geht alle an, auch jene, die das nicht wahrhaben wollen.
Neuer Wind aus der Verhaltensökonomie
Seit die Verhaltensökonomie neue, vormals ignorierte Kriterien zu den alten Erfolgsfaktoren lehrt und dafür weltweit ausgezeichnet wird, sind die notwendigen Kursänderungen bekannt. Damit ist auch klar, dass – wer die Gesellschaft nur als gigantischen Markt begreift – mitverantwortlich ist dafür, dass dort Gezänk, weltfremde Meinungen und Fake-News überhandnehmen. Da stehen wir heute. Es droht dem öffentlichen Raum, dass er immer mehr zum Markt von Likes, Klicks, ungehobelten Meinungs-Tweets verkommt. Die Reaktion vieler Menschen auf diese vermeintlich ausweglose Entwicklung: Zuwendung zum starken Mann, der radikale Änderung und sichere Problemlösung verspricht.
Das Missverständnis Trump
Nicht alle wissen, was damit gemeint ist. Dass das „System“ Trump überhaupt an die Mach gespült wurde, ist der Höhepunkt einer fatalen, demokratieverachtenden Entwicklung in einer Serie von Nationen – vor allem auch dort, wo egoistische Autokraten die Attribute einer friedensstärkenden Politik verächtlich ignorieren. Wer sich jetzt fragt, wie das möglich sei – siehe oben. Dieser Trend muss für ein Alarmzeichen gehalten werden. Damit kommt zum Abschluss, was über die Jahrzehnte unter der Oberfläche gebrodelt hat. Der neoliberale Markt hat den Menschen vergessen. Die neoliberale Politik ist dem Spuk aufgesessen.
Die Zeit für Rückbesinnung ist gekommen. Die nächste Gesellschaft wird wieder zur Besinnung kommen. Anzeichen dafür sind vorhanden. Wenn sich die Jugend verstärkt den grossen Problemen und Aufgaben zuwendet, wird sich dieser Druck in Regierungsbeschlüssen und Geschäftsleitungs-Dekreten bemerkbar machen. Offensichtlich geht Demokratie nach wie vor von unten nach oben, System Grassroot. Nicht umgekehrt.
Politische Parteien, die diese Entwicklung ignorieren, werden gewaltig an Einfluss und Kompetenz verlieren. CEOs, welche die Gebote der Nachhaltigkeit verdrängen, werden dies mit katastrophalen Umsatz- und Gewinneinbrüchen zu bezahlen haben. „Kommt Zeit, kommt Rat“ – für einmal wird er zu spät kommen.