«Frau Yamamoto ist noch da» heisst das Stück von Dea Loher. Und das Publikum ist wieder da. Der interimistische Theaterleiter Ulrich Khuon sorgt für einen fulminanten Auftakt. Ein Lichtblick nach der verunglückten Intendanz des Duos Benjamin von Blomberg und Nicolas Steman.
Bis auf den letzten Platz war das Theater besetzt bei der Saisoneröffnung dieser Überbrückungs-Spielzeit im Schauspielhaus Pfauen, in die der Übergangs-Intendant Ulrich Khuon gleich mit einer Uraufführung startete. Volles Haus: ein Anblick, den man in den vergangenen Spielzeiten vermisste.
Auch der Schriftzug «Schauspielhaus» draussen über dem Eingang ist wieder korrekt. «Zchauspiel aus Sürich» – wie es während der vergangenen Jahre kryptisch zu lesen war – ist abmontiert. Was in Zürich stattfindet, darf wieder «Schauspiel» heissen. Sogar das Foyer wirkt etwas einladender als zuvor.
Soweit die Äusserlichkeiten. Und auf der Bühne also Frau Yamamoto. Ausser ihrem Namen ist nichts japanisch an ihr. Aber das Stück hatte am gleichen Tag auch in Japan Premiere. Denn Auftraggeber war das Engeki Ensemble in Tokio, das seit Jahren Dea Lohrers Stücke aufführt. Somit ist Frau Yamamoto wohl eine Reverenz an das Theater in Tokio. Das, worum es geht – Vereinzelung und Einsamkeit –, ist gerade in Japan ein Problem, aber natürlich auch bei uns.
Dea Lohers Stück spielt in einem Mietshaus. Da wohnen Nino und Erik, ein schwules Paar. Ihr Neffe kommt und geht, ein Therapeut tritt auf, eine Patientin, ihr Liebhaber, eine Putzfrau und vor allem: In diesem Haus wohnt Frau Yamamoto. Eine ältere Frau, allein, die ihre Tür immer offenlässt, um nicht allzu allein zu sein.
Es sind zwanzig kleine Einzelszenen, die sich in diesem Haus abspielen, nichts Dramatisches, einfach die normale Alltags-Einsamkeit, manchmal komisch, manchmal traurig. Hier ist man gemeinsam einsam. Unterteilt werden die Szenen durch verschiebbare farbige Folienwände und die Beleuchtung. In Sekunden wandelt sich das Bild auf der Bühne, und über den Szenen liegt die Melancholie der Musik der deutschen Band «The Notwist», der Soundtrack nicht gelebten Lebens.
Frau Yamamoto allerdings hat ihr Leben durchaus gelebt. Jetzt aber lebt sie nur noch so vor sich hin. Es kommen bereits Interessenten, die ihre Wohnung übernehmen wollen. Aber Frau Yamamoto ist vorläufig noch da! Bis sie dann still und fast unbemerkt stirbt. Die Wohnung wird frei und Nino zieht ein. Allein. Erik bleibt, wo er zuvor mit Nino war. Auch allein.
Das alles könnte nach grosser Tristesse klingen. Und wer im Zuschauerraum sitzt, wird ein bisschen mitleiden und sich wohl auch selbst ein bisschen ertappen. So ganz unbekannt sind diese Szenen und Dialoge für niemanden. Insofern sind sie auch ein Spiegel unserer eigenen Seelenwelt.
Gespielt wird Frau Yamamoto von Nikola Weisse, die seit vielen Jahren immer wieder auf der Pfauenbühne stand und vor zehn Jahren mit dem Schweizer Theaterpreis als «herausragende Schauspielerin» ausgezeichnet wurde. Für die Regie holte man Jette Steckel, die vor allem in Hamburg und Berlin tätig ist und dieses Jahr mit der Münchner Aufführung «Die Vaterlosen» von Anton Tschechow ans Berliner Theatertreffen eingeladen wurde.
Ein spannender, starker Auftakt für ein Übergangsjahr am Zürcher Schauspielhaus, das zuletzt einen Grossteil des Publikums nur noch vergrault hat. Frau Yamamoto dagegen hat für einen vollen Saal, strahlende Gesichter und Jubel beim Applaus gesorgt.