Keine zwei Wochen vor den israelischen Parlamentswahlen am 23. März, den vierten innerhalb von zwei Jahren scheint zwar festzustehen, dass das rechte Lager als Sieger hervorgehen wird, aber es gibt keine überzeugenden Prognosen darüber, ob und wie es dem bisherigen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu gelingen wird, dieses innerlich tief zerklüftete Lager hinter sich zu vereinen. Mehr noch als bei früheren Wahlen ist „Bibi“ Netanjahu deswegen entschlossen, um jeden Preis mit seinen „Erfolgen“ zu punkten.
Etwa beim Thema Corona: Er habe doch persönlich den Kauf von Pfizer-Impfstoff ausgehandelt, der Israel in die führende Position im Kampf gegen die Pandemie gebracht habe. Und er lud den obersten Chef von Pfizer, Albert Bourla, nach Israel ein. Als diesem aber klar wurde, dass er am Wahlkampf beteiligt werden sollte, sagte er ab.
Normalisierung mit VAE und Marokko
Mit dem Einspannen von Vertretern der Verwaltung des neuen US-Präsidenten Biden war Netanjahu auch nicht gerade erfolgreich: Im Weissen Haus scheint man das Odium seiner engen Verbindung zum Vorgänger Trump nicht zu vergessen. Immerhin hatte Trump aber dafür gesorgt, dass die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bahrain und Marokko sich seit Herbst letzten Jahres zu Normalisierungsverträgen mit Israel bereitfanden. Tausende von Israelis haben inzwischen bereits die Emirate besucht (und von dort unter anderem die südafrikanische Corona-Mutante mitgebracht).
So beschloss Netanjahu, dass ein offizieller Besuch in den Emiraten ihm am 23. März sicher zusätzlich Stimmen einbringen werde. Aber es scheiterten drei Termine, bevor man „Bibi“ einen vierten für den 11. März finden konnte. Auch dieser sollte sich aber als ungünstig erweisen und eher als schädlich denn als vorteilhaft für Netanjahus Wahlchancen.
Am Donnerstagmorgen, 11. März, hörten die Israelis in den Frühnachrichten des Radios drei Meldungen, die scheinbar nichts miteinander zu tun hatten: Einmal: Der Ministerpräsident werde heute zu einem ersten offiziellen Kurzbesuch in die Emirate fliegen, um sich dort mit Kronprinz Mohammed bin Zayed zu treffen. Dann: Sara Netanjahu, die Frau des Regierungschefs, sei mit Blinddarmentzündung ins Jerusalemer „Hadassah“-Krankenhaus eingeliefert worden, und: Der jordanische Kronprinz Hussein bin Abdullah habe vorgehabt, in die (Ost-)Jerusalemer Al Aqsa-Moschee zum Gebet zu kommen, aber es sei bei der Überquerung des Jordan zu Unstimmigkeiten über die Sicherheitsmassnahmen während des Besuchs gekommen und der Kronprinz sei daraufhin mit seinem Gefolge nach Amman zurückgekehrt.
Schwierigkeiten mit Jordanien
Schon bald nach der ersten Ausstrahlung dieser Nachrichten begann die Verquickung der zunächst scheinbar unabhängigen Meldungen. So hiess es nun, Netanjahu erwäge, seinen Flug in die Emirate wegen des Krankenhaus-Aufenthaltes seiner Frau abzusagen. Eine Nachricht, die ihm vermutlich bei manchen Israelis Anerkennung für unerwartetes menschliches Verhalten eingebracht haben dürfte. Wenn auch nicht für lange, denn immer mehr war plötzlich die Rede von der verhinderten Jerusalemreise des jordanischen Kronprinzen. Und dann kam es im Klartext: Jordanien habe dem Netanjahu-Flugzeug kein Überflugrecht für Jordanien erteilt und der Besuch werde nun wohl abgesagt, weil die Flugzeit zu lang und die Gesprächszeit vor Ort zu kurz wäre. Letztere war ohnehin eher symbolisch: Sie sollte in einem Flughafen stattfinden und Netanjahu am Abend sogleich zurückfliegen.
Unter solchen Umständen hätte der Besuch in den Emiraten sich wahrschlich eher negativ auf das zu erwartende Wahlergebnis ausgewirkt. Deswegen wurde der Besuch ein viertes Mal abgesagt – bis auf weiteres, aber vermutlich auf einen Termin nach den Wahlen. Obwohl in letzter Minute aus Amman doch noch eine Genehmigung zum Überflug kam. In Jerusalem winkte man ab: Jetzt sei es zu spät.
Nicht zu spät allerdings dürfte es sein, sich um die Beziehungen zwischen Israel und Jordanien zu kümmern. Dieses war der zweite arabische Staat (nach Ägypten), der 1994 Frieden mit Israel schloss. In letzter Zeit allerdings ist dies ein eher kühler Frieden. So bemerkte ein ehemaliger israelischer Botschafter in Amman, es habe bereits seit drei Jahren keine direkten Kontakte zwischen führenden Politikern beider Länder gegeben. Zudem sei Jordanien in den letzten Jahren zunehmend kritisch geworden gegenüber dem Vorgehen Israels in den Palästinensergebieten. Mit seiner palästinensischen Bevölkerungsmehrheit ist Jordanien weiterhin sehr empfindlich in diesen Punkten. Dies erklärt auch seine eher zurückhaltende Reaktion auf die Verträge Israels mit den Emiraten und Bahrain: Weil diese das Palästinenserproblem weitgehend ignorierten.
Unter rechten Wählern dürften solche Dinge kaum Anlass zu Nachdenklichkeit sein. Pluspunkte für Netanjahu lassen sich allerdings auch nicht herauslesen, wenn 26 Jahre Frieden mit Jordanien einem halben Jahr Normalisierung mit den Emiraten geopfert werden sollten.