Der Regisseur und Autor heisst Dani Levy. Ja genau, der Küchenbursche „Peperoni“ aus der legendären TV-Soap „Motel“ vor dreissig Jahren. Die Hauptfigur heisst Balz Häfeli und ist vor allem sehr schweizerisch. Und der Darsteller, der diesen Balz Häfeli unter der Regie von Dani Levy spielt, heisst Michael Neuenschwander.
Ort des Geschehens ist das fiktive Städtchen Wohlstadt und dieses liegt zurzeit auf der Bühne des Zürcher Schauspielhauses.
Unter dem Titel „Schweizer Schönheit“ wird hier schweizerische Befindlichkeit unter die Lupe genommen. Und mitten drin: Michael Neuenschwander als Balz Häfeli, um den sich alles dreht.
Inspiriert ist das Stück vom Film „American Beauty“. Dieser Film wirft einen „ironischen Blick hinter die äusserlich glänzende Fassade von Kleinstadt-Amerika“, so steht es im Film-Lexikon.
Midlife-Crisis
Michael Neuenschwander, der gerade von einer der letzten Proben der Schauspielhaus-Produktion kommt, hat den Film damals 1999 auch gesehen. „Ja, da geht es um einen Mann am Rande einer Midlife-Crisis. Er lebt in der Wohlstandgesellschaft, immer auf Kredit, bis alles zusammenbricht, im Persönlichen wie im Gesellschaftlichen“. Inzwischen sind fünfzehn Jahre vergangen, und Michael Neuenschwander ist wieder mit dem Thema konfrontiert. Nur viel direkter, weil jetzt er diese Person mit Midlife-Crisis ist.
„In unserer Version ist das aber nicht einfach vom Amerikanischen ins Schweizerische übersetzt. Der Film war eher eine Inspirationsquelle für Dani Levy“, schränkt Neuenschwander den Vergleich zwischen der „Beauty“ und der „Schönheit“ ein. Parallelen sind trotzdem vorhanden. „Die Themen, die angesprochen werden, sind die gleichen, aber sie sind anders verteilt, anders gelagert, anders zusammengesetzt. Und die Hauptpersonen, an denen sich alles entzündet, sind schweizerischer“. Schweizerischer? Was heisst das genau…? „Naja, gemütlicher, könnte man sagen, um nicht zu viel zu verraten.“
Eine „fundamentalistische Komödie“ sei, so heisst es im Untertitel, die „Schweizer Schönheit“. Was bedeutet dies denn für Michael Neuenschwander? „Ich finde den Titel absolut treffend“, sagt er. „Mit diesem Begriff kann man alles Mögliche assoziieren. Fundamentalismus würde man ja nie mit einer Komödie in Verbindung bringen, insofern ist diese Wortschöpfung eine gelungene Kombination, die dazu anregt, selbst darüber zu fantasieren.“ Vielleicht könnte man „fundamentalistisch“ in diesem Zusammenhang auch als spiessig und reaktionär ansehen? „Ja, durchaus. Es bleibt Raum für Interpretation. Das ist ja auch die Qualität dessen, was Dani hier erfunden hat. Viele seiner Arbeiten gehen in diese Richtung, dass man sie einfach als Unterhaltung konsumieren kann, dass man aber auch weit in die Tiefe gehen und Zusammenhänge herausfinden kann.“
Kampf ums diesseitige Glück
Interpretationsbedürftig ist in diesem Zusammenhang vielleicht auch nicht nur das Wort „fundamentalistisch“, sondern nur schon “Komödie“, denn eigentlich ist die Geschichte doch tragisch. „Hmmmm…“ Michael Neuenschwander kann nicht widersprechen und denkt nach. „Ja, sie ist tragisch. Aber der Unterschied zwischen Komödie und Tragödie besteht doch darin, dass in der Komödie die Figuren für ihr diesseitiges Glück kämpfen. Also man will mehr Geld, mehr Liebe, die Frau zurück haben oder nicht verlieren… Und in der Tragödie sind die Figuren in einen grösseren Zusammenhang eingebunden, der über das eigene Leben hinausgeht. In diesem Sinne bin ich mit dem Begriff ‚Komödie‘ für unser Stück sehr einverstanden. Dass es nicht mit einem Happy End aufhört, gibt dem Ganzen eine besondere Note.“
Wie geht Michael Neuenschwander nun an die Rolle des Balz Häfeli? Ein bisschen so wie in einer Klamotte im Boulevardtheater? „Nein, eben nicht! Dani Levy ist sehr erpicht darauf, dass wir realistisch spielen. Also keinesfalls sogenannt lustig, indem man gezielt auf eine Pointe hinsteuert. Die Komik muss sich dem Publikum wie von selbst eröffnen.“
Figuren, wie dieser Balz Häfeli gefallen Neuenschwander. „Sie haben Entwicklungsmöglichkeiten. Für die einen ist Balz Häfeli ein Nestbeschmutzer, für die anderen ein Held. Insofern ist eine Figur toll, die beides hat: ein Loser, der sich zu etwas anderem mausert.“ Also eine Gratwanderung, auf der man am Schluss wo ankommt? „Am Schluss kommt man beim Menschen an, denn es betrifft ja immer uns alle. Wir kennen das doch: Etwas ist zusammengebrochen, ich habe ein Engagement nicht bekommen, dafür eine Steuernachzahlung auf dem Tisch und und und. Auf der anderen Seite hängt man Träumen nach, grossen Träumen. Irgendwie bewegt man sich immer zwischen diesen beiden Polen.“
Mit dem Strom schwimmen
Dani Levy lebt und arbeitet schon seit vielen Jahren in Berlin. Mussten Michael Neuenschwander oder das Ensemble ab und zu bei den Probenarbeiten eingreifen, weil Levy sich in den Schweizer Verhältnissen nicht mehr so auskennt? „Überhaupt nicht!“ winkt Neuenschwander ab. „Dani Levy sieht das alles sehr klar. Vielleicht ist sein Blick auf die Schweiz durch die Distanz noch deutlicher, noch unverbauter. Ich glaube, er hat sowieso ganz allgemein einen klaren Blick auf Gesellschaftsverhältnisse und Beziehungen. Aus der Distanz scheut man sich auch nicht, unmissverständlich zu artikulieren, was man sieht. Und wenn man hier ist, sieht man vieles, bei dem man sich sagt, ja ok, muss ich das jetzt wirklich schon wieder ansprechen? Es wird einem zu mühsam oder zu langweilig. Man schwimmt dann mit dem Strom, ohne es eigentlich zu wollen, nur weil es einfacher ist. Und mitschwimmen ist ja tatsächlich einfacher, als über irgendetwas herzuziehen, das man ohnehin nicht ändern kann. Das ist eben auch ein Thema des Stücks.“
Und wie ist es, im Theater mit einem Regisseur zu arbeiten, dessen Metier in erster Linie der Film ist? „Sehr erfrischend!“, sagt Neuenschwander voller Begeisterung. „Dani hat tatsächlich einen anderen Blick aufs Theater. Das macht es uns zwar nicht einfach, aber es bietet die Möglichkeit, sich ein neues Feld zu erarbeiten und zu erobern. Ich glaube, Dani sucht sich ohnehin immer Sachen aus, die nicht zu einfach sind. Er hat es gern, wenn es ‚z‘understobsi‘ geht und Überraschungen gibt. Auch für ihn.“
Schweizer Schönheit, von Dani Levy, Schauspielhaus Zürich, Premiere: 20. Februar, bis 4. April