Bei mehreren Attentaten sind am Freitagabend in Paris mindestens 128 Menschen, möglicherweise über 150 ums Leben gekommen. 99 der Schwerverletzten sollen sich in einem sehr kritischen Zustand befinden.
In einem Konzertsaal im 11. Arrondissement richteten Terroristen ein eigentliches Blutbad an, bevor sie sich selbst in die Luft sprengten.
Zeugen berichten, die Attentäter hätten Al-Akhbar geschrien, bevor sie das Feuer eröffneten.
Staatspräsident Hollande rief um 23.50 Uhr mit bebender Stimme den Notstand (état d'urgence) aus. Die französischen Grenzen wurden geschlossen. Er nannte die Ereignisse "une horreur". Das letzte Mal hatte Präsident Chirac vor 20 Jahren während der Aufstände in der Pariser Banlieue den Notstand dekretiert.
Der "Islamische Staat" (IS) hat am späten Samstagvormittag die Verantwortung für die Anschläge übernommen. Sie seien "erst der Anfang eines Sturms", heisst es in einem Communiqué. "Acht Brüder, mit Sprengstoffgürteln versehen und mit Sturmgewehren bewaffnet, haben Ziele angegriffen, die im Voraus sorgfältig in der französischen Hauptstadt ausgewählt worden sind. ... Paris hat unter ihren Füssen gezittert ... Die Zahl der Toten beläuft sich auf mindestens 200 ... " Frankreich uns seine Alliierterten blieben das Hauptziel des "Islamischen Staats und würden weiterhin den "Geruch des Todes" atmen, wenn der Kreuzzug fortgesetzt würde.
Tausende Französinnen und Franzosen haben sich in Blutspendezentren begeben. Im Internet kursiert eine Karte mit den Orten, wo Blut gespendet werden kann.
Die französische Abendzeitung "Le Monde", die am Samstag früh mit einer Sonderausgabe herauskam, spricht vom "schrecklisten Terror, den Frankreich je erlebt hat".
Blutbad im "Bataclan"
Das schlimmste Attentat ereignete sich im Bataclan, einem Pariser Vergnügungsetablissement und Konzertsaal im XI. Arrondissement, wo die amerikanische Rockband Eagles of Death Metal auftrat. Im Saal befanden sich 1'519 Personen. Vier unmaskierte Terroristen drangen in den Saal ein und schossen mit Kalaschnikows um sich. Sie luden mehrmals ihre Maschinengewehre neu und begannen erneut zu schiessen. Anschliessend nahmen die Angreifer Dutzende Zuschauer als Geiseln und verschanzten sich.
Kurz vor 01.00 Uhr stürmte die Polizei das Lokal. Dabei sollen drei Terroristen ihre Sprengstoffgürtel gezündet haben. Ein vierter wurde von der Polizei erschossen. Nach unbestätigten Berichten starben im Bataclan mindestens 82 Menschen. Viele wurden verletzt. Eine definitive Bilanz ist noch nicht möglich.
Präsident Hollande begab sich um 01.30 Uhr an den Ort des Geschehens. Hollande befand sich in Begleitung von Premierminister Manuel Valls, Justizministerin Christiane Taubira und Innenminister Bernard Cazeneuve. Das Bataclan befindet sich an der Ecke zwischen dem Boulevard Richard-Lenoir und dem Boulevard Voltaire.
Sechs verschiedene Attentate
Insgesamt schlugen die Terroristen am Freitagabend in Paris zeitgleich an sechs verschiedenen Orten zu. Die Behörden sprechen von konzertierten Terrorakten.
Um 21.20 Uhr eröffneten Terroristen an der Ecke der Rue Alibert und der Rue Bichat zwischen der Bar Le Carillon und dem Restaurant Le Petit Cambodge das Feuer (10. Arrondissement). Mit Kalaschnikows gaben die Terroristien mehrere Salven auf die Anwesenden ab. Dabei starben zwischen 12 und 14 Menschen. Zehn weitere wurden teils schwer verletzt.
In der Rue de Charonne erschossen Terroristen 19 Personen auf der Terrasse der Bar La Belle Equipe, 14 weitere erlitten schwere Verletzungen.
In der Rue de la Fontaine-au-Roi fanden bei einer Schiesserei fünf Menschen den Tod, acht wurden teils schwer verletzt.
Am Boulevard Voltaire zündete ein Terrorist einen Sprengsatz und kam dabei ums Leben.
Vor dem Stade de France in Saint-Denis vor den Toren in Paris ereigneten sich um 21.20 Uhr während des Freundschaftsspiels zwischen Frankreich und Deutschland drei Explosionen. Im Stadion brach Panik aus, viele Zuschauer flüchteten auf das Spielfeld und suchten dort Schutz. Zu den Zuschauern gehörte auch Staatspräsident Hollande.
Die Explosionen erwiesen sich als Selbstmordanschläge. Drei Kamikaze hatten vor Fastfood-Buden und einer Brasserie ihre Sprengstoffgürtel gezündet. Neben den Attentätern starb eine unbeteiligte Person.
Mehrmals warfen in Frankreich Terroristen Bomben, so im Januar beim Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo. Zum ersten mal nun haben in Frankreich laut Medienberichten Kamikaze Selbstmordanschläge durchgeführt.
Geschlossene Museen, geschlossene Schulen
Präsident Hollande hatte erklärt: "Wir kennen die Attentäter". Polizeikreise bestätigten diese Information am frühen Samstagmorgen. Offenbar ist mehreren Terroristen die Flucht gelungen. Hollande sprach von einem "kriegerischen Akt", der von einer "terroristischen Armee" durchgeführt wurde.
Augenzeugen berichten, die Täter hätten geschrien: "Das ist der Fehler von Hollande, der Fehler eures Präsidenten, er hat sich nicht in Syrien einzumischen." Auch den Irak erwähnten die Terroristen.
Spitäler, Notfallstationen und Polizeibüros wurden in der Nacht zum Samstag und am Samstag Vormittag von Hunderten belagert, die Informationen über das Schicksal ihrer Angehörigen zu erhalten hoffen.
Die Pariser Bürgermeisterin rief am späten Freitagabend die Pariser auf, ihre Häuser nicht zu verlassen oder nach Hause zurückzukehren. So sollte die Jagd auf geflüchtete Terroristen erleichtert werden. Wie viele der Täter auf der Flucht sein könnten, ist unklar.
Viele Métro-Stationen wurden in der Nacht zum Samstag geschlossen. Die Linien 3, 5, 8, 9 und 11 stellten den Betrieb ein. Die meisten Pariser Strassen waren um Mitternacht menschenleer. Die Museen, Schulen und Universitäten bleiben am Samstag geschlossen. Alle Manifestationen wurden abgesagt.
Inzwischen hat François Hollande eine dreitätige Staatstrauer angeordnet. Die Flaggen auf allen öffentlichen Gebäuden wurden auf Halbmast gesetzt.
(J21/hh/Agenturen/Le Monde/Libération/France24/TF1/France 2/France Inter/France Info)