Jedenfalls hat Horst Seehofer am vergangenen Wochenende zum wiederholten Male erklärt, dass die CSU derzeit eine erneute Kanzlerkandidatur von Angela Merkel nicht unterstütze. Darüber werde die CSU erst im kommenden Frühjahr entscheiden. Merkel reagiert darauf, indem sie sich selbst noch nicht festlegt. Aber als CDU-Vorsitzende möchte sie sich im Herbst auf dem entsprechenden Parteitag bestätigen lassen. Vor einem Jahr wäre es völlig undenkbar gewesen, dass die Macht Angela Merkels derartig schnell erodiert. Jetzt steht sie zur Disposition, und einige wackere Mitstreiter aus den vorderen Reihen der CDU müssen ihr laut pfeifend den Rücken stärken.
In der Zeit, als sie sich in ihrer Beliebtheit sonnen konnte, war sie keine Entscheiderin, sondern eine Vermeiderin. Sie moderierte Krisen, vermied aber harte Entscheidungen, um nicht für die unmittelbaren Folgen haftbar gemacht zu werden. Geld und Kompromisse verkleisterten erkennbare Brüche – und dafür war ihr das Publikum dankbar. Mit dem massenhaften Aufmarsch der Flüchtlinge an Deutschlands Grenzen im vergangenen Jahr kam dieses Spiel an sein Ende. Aber auch hier entschied sie, erst einmal nicht zu entscheiden, sondern die Last weiter zu reichen: Wir schaffen das.
Aber geht es wirklich um Merkel? Ist sie nicht nur ein Symptom für die Krise der politischen Führung insgesamt? Zwar treten zunehmend Demagogen auf, aber wer sich Politiker wünschte, mit deren Namen sich durchdachte und überzeugende politische Alternativen verbinden, greift ins Leere. Da stellt sich die Frage, ob die Welt inzwischen derartig komplex geworden ist, dass vor ihr auch die klügsten Köpfe kapitulieren müssen, oder ob kluge Köpfe zu klug sind, um sich in das politische Getümmel zu stürzen. Dann liefe uns mit der Intelligenz auch die Zeit für Problemlösungen davon.