Der atemberaubende Absturz Robert Habecks in den Beliebtheitswerten verweist nicht nur auf den hohen Unterhaltungswert der deutschen Politik. Vielmehr zeigen sich hier auch die Grenzen obrigkeitsstaatlichen Denkens mit seiner bürokratischen Hybris.
Mit ihrem Glauben, dass eine restlos vom Staat geregelte und verordnete Welt die bessere ist, stehen die Grünen zwar nicht allein in der politischen Landschaft. Aber ihnen nimmt man die Reste obrigkeitsstaatlichen Denkens deswegen besonders übel, weil sie mit ihrem ursprünglich betont unkonventionellen Auftreten andere Erwartungen geweckt und eine Klientel angesprochen haben, die sich selbst als nonkonformistisch begreift. Aber mit den Grünen kommen ständig neue Verordnungen, die zudem kostspielig sind. Die Wähler schätzen das immer weniger.
Der Staatssekretär Patrick Graichen ist zwar über seine Vetternwirtschaft gestürzt, aber der eigentliche Punkt ist das Heizungsgesetz, das dessen Handschrift trägt. Im Kern geht es darum, dass der Staat ab 2024 den Einbau von Wärmepumpen anstelle von Gas- und Ölheizungen vorschreibt. Je klarer hervortritt, mit welchen Kosten dieses Vorhaben verbunden ist, desto lauter wird der Aufschrei derjenigen, deren finanzielle Möglichkeiten damit weit überschritten werden.
Emissionshandel
Damit ist aber der Kern des Übels nicht getroffen. Einzig die FDP zielt ihn an, aber sie scheut sich, die Debatte auf den entscheidenden Punkt zu bringen. Dabei geht es um die Bepreisung des CO2-Ausstosses, wie ihn jetzt das EU-Parlament mit dem Programm «Fit for 55» neu gefasst hat.
Das Schlagwort dafür ist Emissionshandel. Die ersten Ideen dazu wurden schon in den 1960er Jahren entwickelt. Es geht darum, dass Staaten oder Zusammenschlüsse von Staaten festlegen, wieviel Emissionen von schädlichem CO2 sie ihren Unternehmen und anderen Wirtschaftsorganisationen freigeben. Dafür geben sie Zertifikate aus, die erworben werden können. Die Obergrenze für die Emissionen bemisst sich an den Vorgaben, wie sie zum Beispiel beim Pariser Klimaabkommen zur Reduktion der Treibhausgase im Jahr 2015 vereinbart wurden.
Wer viel emittiert, braucht entsprechend viele Zertifikate. Wer seine Technik auf mindere Emissionen umstellt, braucht entsprechend weniger und spart Kosten. Oder er kann einmal erworbene Zertifikate auf dem Markt dafür weiterverkaufen.
Das ist ein durch und durch marktwirtschaftliches Modell. Daran stossen sich Kritiker ebenso wie an der Tatsache, dass Staaten oder überstaatliche Organisationen «Verschmutzungsrechte» verkaufen. Ist das nicht unethisch? Wer so argumentiert, übersieht aber, dass es bis jetzt stillschweigend geduldete «Verschmutzungsrechte» gibt, insofern die Staaten die Emissionen ihrer Industrien und Konsumenten mit ihren Autos, Flugreisen und natürlich auch ihren Heizungen hinnehmen.
Gegen staatliche Bevormundung
Der Emissionshandel ist der grosse Schlag gegen staatliche Bevormundung mit seiner Bürokratie. Der Staat schreibt jetzt nicht mehr vor, wer wann welche Heizung einzubauen hat und wer wann nur noch Elektroautos herstellen und anbieten darf. Es zählen nur noch die Emissionen. Dafür bittet der Staat ebenso zur Kasse, wie er Steuern erhebt. Wenn jemand auch nach 2025 von seinem Verbrennerauto nicht lassen kann, so ist das seine Sache, niemand verbietet es ihm, aber sein Verbrenner wird teurer und teurer.
Dem Emissionshandel haben sich mittlerweile die Länder der Europäischen Union und China angeschlossen. In den USA und Kanada gibt es zudem vergleichbare Systeme auf freiwilliger Basis. Auch die Schweiz beteiligt sich am Emissionshandel. Dabei wird ein weiterer Vorteil dieses Verfahrens deutlich: Es stellt eine internationale Vergleichbarkeit her: Wer macht mit, wer nicht? Wer verlangt für schädliche Emissionen welche Preise? In diesem Verfahren liegen die Chancen für unmittelbar umsetzbare und wirksame Änderungen, wie sie zum Beispiel von der «Letzten Generation» bislang vergeblich gefordert wurden.
Der Emissionshandel ist zudem ein Angriff auf den Obrigkeitsstaat mit seiner überbordenden Bürokratie und einer eilfertigen Gesetzgebung, die sich gern das Mäntelchen der Fürsorglichkeit umhängt: «Was machen wir bloss mit einem Rentner, der zwar ein Haus besitzt, aber keine liquiden Mittel, um den Einbau einer Wärmepumpe zu stemmen? Dafür müssen wir eine Regelung in Gestalt von Beihilfen finden. – Aber ist es dann gerecht, wenn ein Facharbeiter beim Einbau einer Wärmepumpe nicht unterstützt wird? Dafür brauchen wir dringend Ausnahmeregeln.» Und so weiter und so fort. Das ist der Stoff für endlose Debatten und das Ausufern der Bürokratie, weil ja jede dieser Fragen «im Einzelfall» sorgfältigster Prüfung bedarf. – Ein absolut einleuchtendes Arbeitsbeschaffungsprogramm für hoffnungsvolle Nachwuchskräfte in Behörden.
Robert Habeck ist nicht über Patrick Graichen gestolpert, sondern über ein Denken, das er zwar sympathisch und kommunikativ verkauft hat, das aber in seinem Kern dirigistisch und obrigkeitsstaatlich ist. Nachdem er Graichen gefeuert hat, täte er gut daran, sich auch vom obrigkeitsstaatlichen Denken zu verabschieden. Eine gute Leitlinie der Grünen wäre: Weniger Staat, mehr Effizienz. Kosten statt Obrigkeit.