Die politischen Parteien schmücken sich mit Adjektiven, die immer mehr ihre Bedeutung verloren haben und nur noch reine Worthülsen sind.
„Liberal“ war früher ein ideologischer Begriff. Er bedeutete: Jeder soll die Möglichkeit erhalten, sich frei zu entwickeln. Jeder und jede sollen lernen und arbeiten können, was sie möchten. Alle sollen – im Rahmen der Gesetze – leben können, wie sie wollen. „Liberal“ hiess auch: möglichst wenig Staat, möglichst wenige Regulierungen.
Heute ist „liberal“ ein Synonym geworden für „tolerant“, „weltoffen“, „nicht dogmatisch“, „nicht borniert“, „nicht stur“. Eigentlich wollen fast alle „liberal“ sein, die Rechten, die Linken und die Mitte.
Und dann „linksliberal“. Also „weltoffen“, „tolerant“ gegenüber anderen – und ein bisschen „links“. Das klingt für viele „sexy“. Die meisten grossen „liberalen“ Parteien sind heute ein „bisschen links“ – oder gar: ein „bisschen viel links“.
Und „sozialliberal“? Tolerant, weltoffen und „sozial“ – also für das Wohl möglichst vieler. Wer will das nicht sein!
Solche Begriffe bedeuten alles und nichts. Jede Partei will bei Wahlen möglichst viele Stimmen gewinnen und peilt möglichst breite Wählerschichten an. Das kann man nur, wenn man Schlagworte auftischt, mit denen sich möglichst viele identifizieren können – Schlagworte allerdings, die schwammig sind.
Seien wir haarspalterisch: Schon der Begriff „Volkspartei“ ist eine Floskel. Jede Partei, die in einer Demokratie an Wahlen teilnimmt, gibt vor, für das „Volk“ da zu sein. Keiner Partei käme es in den Sinn zu behaupten, gegen das Volk zu politisieren.
Auch Begriffe wie „volksdemokratisch“ geistern im deutschsprachigen Raum herum. Demokratie ist immer für das Volk. „Volksdemokratisch“ ist ein Wischiwaschi-Pleonasmus. Und es gibt sogar die „demokratischen Volksparteien“. Drei Mal gemoppelt.
Früher gab es die DDR, die Deutsche Demokratische Republik. Eine Republik ist per se demokratisch – wieder ein Pleonasmus. Doch das war nicht das einzig Abartige an diesem Begriff, denn die DDR war weder demokratisch noch eine Republik.
Heute sind die meisten Parteien ideologisch gesehen derart weit gefächert, dass es schwierig ist, sie auf einige wenige Schlagworte zu reduzieren. Alle sind heute liberal, sozial, demokratisch – und neuerdings auch ökologisch. Man geht eben mit der Zeit. Längst sind die grossen Rechtsparteien sozialdemokratisiert und die grossen Linksformationen liberalisiert. Längst ist die Linke ein bisschen rechts, und die Rechte ein bisschen links.
Begriffe wie „rechtsbürgerlich“, „linksbürgerlich“, „rechtsliberal“, „linksliberal“, „linkskonservativ“, „rechtskonservativ“ heissen alles und nichts.
Anstatt auf unsinnige Worthülsen zu achten, empfiehlt es sich, die Parteiprogramme im Detail zu studieren. Nur so erfährt man – in etwa –, welche Politik eine Partei anstrebt. Aber Parteiprogramme studieren – das ist aufwendig, und kaum jemand tut es. Und schwammig sind auch die. Besser: Man prüft von Fall zu Fall, welche konkreten Positionen die Parteien zu den einzelnen Themen einnehmen.
Auch „christdemokratisch“ ist eine Worthülse. Wer ein Christ ist und nicht für die Demokratie eintritt, ist ein seltsamer Christ. Auch „christlichsozial“ gibt es. Wer sich als Christ nicht für soziale Belange, für das Wohl möglichst vieler einsetzt, ist kein Christ.
Da gibt es neuerdings „Die Mitte“, wie die CVP heute heisst. Die Umbenennung erfolgt aus der Erkenntnis heraus, dass mit dem „C“ kaum mehr Wählerinnen und Wähler angelockt werden können.
Mit „Mitte“ will man überall grasen und bei allen Parteien wildern: links und rechts. „Mitte“ heisst: „von allem ein bisschen“. Die Gefahr besteht darin, dass man das Profil, das bereits weitgehend verloren ging, noch ganz verliert.
Parteienbezeichnungen sind oft nur eine Augenwischerei. Wenn man weiss, dass der Präsident der „Mitte“ eine pointierte Rechtspolitik vertrat und vertritt, so ist die neue Bezeichnung seiner Partei ein purer Etikettenschwindel. Aber vielleicht rückt er jetzt ja in die Mitte. Um dem neuen Label seiner Partei Ehre zu machen.