Tropensturm „Harvey“, der mit sintflutartigen Regenfällen die US-Bundesstaaten Texas und Louisiana heimsucht, macht unvermittelt unterschiedliche Aspekte der amerikanischen Gesellschaft sichtbar. Da ist einerseits die riesige Hilfsbereitschaft für Betroffene, von Nachbarn, professionellen Rettern, freiwilligen Helfern. Und selbst von Hollywood-Stars. Die Schauspielerin Sandra Bullock will eine Million Dollar für die Opfer des Hurrikans spenden und ruft dazu auf, es ihr gleichzutun.
Da ist andererseits ein US-Präsident, für den die Naturkatastrophe in Texas als Bühne dient, um sich erneut selbst zu inszenieren. Als wären Tweets, die angesichts der „historischen Niederschläge in Houston“ mit „Wow“ beginnen, ein probates Mittel, um Menschen zu trösten, die Hab und Gut verloren haben und sich in vielen Fällen nur noch mit ihren Kleidern am Leib retten konnten.
„Alle Wasser der Welt konnten seine (Trumps) Befriedigung nicht ertränken“, kommentierte ein Kolumnist der „New York Times“ Donald Trumps Auftritt vor der Feuerwehr in Corpus Christi (Texas) wo sich rund 1000 Leute eingefunden hatten, um den Präsidenten live zu erleben. „Was für ein Publikumszuspruch!“, rief der Commander-in-Chief begeistert aus. Für Trump ist offenbar selbst eine Katastrophe ein willkommener Anlass, um Wahlkampf zu betreiben – mit Prahlereien und Superlativen, wie er sie liebt.
Der Präsident schreckte auch nicht davor zurück, Ende letzter Woche seine umstrittene Begnadigung von Sheriff Joe Arpaio, den ein Gericht als Rassisten verurteilt hatte, abends zur besten Sendezeit am Fernsehen zu verkünden. Dies, weil er laut eigenem Bekunden annahm, dass ihm, der Quoten über alles liebt, die Berichterstattung über die Ankunft von Hurrikan „Harvey“ mehr Zuschauer bescheren würde.
Schlagzeilen machte in Houston gleichzeitig auch Joel Osteen, ein Bruder Donald Trumps im Geiste. Der adrette, stets lächelnde Pastor einer sogenannten Mega-Church, der seinen Anhängern Reichtum und Gesundheit predigt, mochte seine Kirche, eine frühere Basketball-Arena mit 16‘800 Plätzen, erst nicht für Flutopfer öffnen. Wie der Präsident kommuniziert auch der fromme Lebemann gern über Twitter. „Gott hat das im Griff“, schrieb er über den Sturm und riet Betroffenen, „in der Hoffnung zu ankern“.
Ein Sprecher Osteens bestritt, der schwerreiche Evangelikale habe seine Kirche in Houston erst auf öffentlichen Druck hin geöffnet, und verwies auf ein Überschwemmungsrisiko, das Medien allerdings nicht zu entdecken vermochten. Inzwischen dient die Arena der Lakewood Church als Notunterkunft. „Joel Osteen fährt mit seiner Luxus-Jacht durch das überschwemmte Houston, um Kopien seiner Bibel ‚Dein bestes Leben hier und heute‘ zu verteilen“, stand ironisch auf einer christlichen Satire-Website.
Donald Trump gibt sich zwar, ein Segen, nicht so fromm wie Joel Osteen. Dem Präsidenten und dem Pastor aber ist gemeinsam, dass sie unter ihren Gefolgsleuten falsche Hoffnungen wecken und sie im Glauben lassen, sie würden sich über ihr eigenes Wohlergehen hinaus um sie kümmern. Trump wie Osteen sind Angeber, Heuchler und Scharlatane, die ein Land wie Amerika nicht verdient – in Zeiten wie diesen schon gar nicht.