Seltsamerweise erinnert jedoch niemand daran, dass die Palästinenser seit 18 Jahren verhandeln, seit 1993, und dass sie in dieser Zeit nichts nennenswertes erreichen konnten. Was immer an provisorischen Teilerfolgen sie zu Beginn dieser langen Jahre verbuchten, wurde später von den Israeli mit Waffengewalt rückgängig gemacht.
Der wahre Zweck des „Friedensprozesses“
Doch das ist nicht alles, was es zu berücksichtigen gilt. Man muss auch erkennen, dass die beinahe zwei Jahrzehnte der Verhandlungen den Israeli dazu dienten, immer mehr Teile der Besetzten Gebiete mit Siedlern zu besetzen und die arabische Bevölkerung aus diesen Teilen der besetzten Gebiete entweder zu vertreiben oder aus ihnen auszuschliessen.
Die Verhandlungen wurden von Israel dazu ausgenützt, um einen Schleier zu schaffen, der die immer fortschreitende Enteignung der Palästinenser verhüllte, indem der Eindruck geschaffen und immer wieder propagandistisch unterstrichen wurde, man rede ja über einen kommenden Frieden. Verhandlungen darüber fänden ja statt. Eine Friedenslösung stehe bevor.
Die Opfer werden als schuldig erklärt
Die Propagandisten, die sich des Themas bemächtigten, fügten gerne hinzu, es seien ja die Palästinenser selbst, die durch ihre Halsstarrigkeit bewirkten, dass die Verhandlungen nicht voran kämen.
In der Zwischenzeit wuchsen die Zahlen der vom Staate Israel geförderten und mit Waffengewalt eingepflanzten Siedler von weniger als 100 000 auf über 300 000 an.
Das Angebot der Israeli: Bantustans
Im Verlauf der Verhandlungen hat sich auch klar abgezeichnet, was die Israeli in Wirklichkeit bereit sind, den Palästinensern zu gewähren. Nicht einen eigenen Staat sondern eine politische "Entität", die einige Autonomievollmachten erhielte - beispielshalber im Schulwesen oder vielleicht im Gesundheitswesen; keine eigene Armee, vielleicht einige Polizeitruppen. Diese "Entität" würde in nicht zusammenhängende "Teil-Entitäten" aufgeteilt, die nicht über Öffnung oder Schliessung ihrer eigenen Grenzen verfügten.
Die "Entität" würde in territorialer Hinsicht getrennte Teile der besetzten Gebiete umfassen, palästinensische Inseln in einem israelisch beherrschten Grossisrael, welche die Schwerpunkte der palästinensischen Bevölkerung zu umfassen hätten, in Nablus, in Hebron, Jenin, Jericho Stadt, Bethlehem, jedoch ohne ein von Israel aus Palästina ausgegrenztes und herausgeschnittenes Grossjerusalem.
Der Begriff Bantustan umschreibt die nach dem israelischen Angebot zu schaffenden palästinensischen Territorien am klarsten. Gaza ist bereits das erste unter diesen vorigesehnen Bantustans. Das israelische Angebot sieht die Enteignung der bereits heute von den israelischen Siedlern widerrechtlich in Besitz genommenen Gebiete vor. Ebenso die der so genannten Landreserven, die gleich zu den Siedlungen dazu geschlagen wurden, sowie die diese Siedlungen untereinander und mit dem eigentlichen Israel verbindenden Autobahnen, die schon heute von Palästinensern nicht benützt werden dürfen.
Israels Anspruch auf militärische Sicherheitszonen
Weiter kommt dazu ein zusätzlicher Streifen von Land in den Besetzten Gebieten der als militärische Sicherheitszone Israels vorgesehen ist. Er dehnt sich der Jordansenke entlang durch das ganze Westjordanland und umfasst beinahe ein Drittel der gesamten Territorien.
Da Israel bereits gegenwärtig an der Ausdünnung der dort lebenden palästinensischen Bevölkerung arbeitet, indem sie sie einschränkenden Sonderregeln für ihren dortigen Aufenthalt unterstellt, ist die Ausdehnung dieser geplanten israelischen Militärzone bereits heute festgeschrieben und allgemein bekannt.
Netanyahus und Liebermanns eigentliche Ziele
Ausgeschlossen von dem israelischen Angebot ist jede Frage der Rückkehr der vertriebenen Palästinenser. Obwohl es einen Uno Beschluss gibt, der Rückkehr oder Kompensation der Vertriebenen seit sechs Jahrzehnten und jedes Jahr wiederholt fordert.
Was den palästinensischen Staat angeht, den die Palästinenser anstreben, so haben die führenden Leute der gegenwärtigen israelischen Regierung - Netaniyahu an der Spitze, von Liebermann gar nicht zu reden - ihrem israelischen Publikum immer wieder erklärt, sie wollten die Entstehung eines palästinensischen Staates um jeden Preis verhindern. Ein solcher Staat stelle , "eine Gefahr für Israel" dar.
Gaza als Präzedenzfall
Was in der Zukunft mit den Bantustans geschähe, die Israel den Palästinensern zuzugestehen bereit wäre, muss man am Bantustan Gaza ablesen. Der Umstand, dass Israel die Grenzen von Gaza bestimmt (Ägypten unter Mubarak half dabei mit), nicht die Bewohner des Landstreifens selbst, erlaubt es Israel die 1,5 Millionen Gaza-Bewohner dafür zu "bestrafen", dass sie eine Regierung wählten, die den Israeli nicht passt.
Unter vielen anderen Strafmassnahmen hat Israel auch den Flughafen Gazas zerstört und übt neben der Landsperre auch eine maritime Blockade gegen das Gaza-Bantustan.
Die Palästinenser müssen gewärtigen, dass vergleichbares auch anderen "autonomen" Bantustans geschehen würde, wenn diese sich der herrschenden Vormacht Israel nicht gefügig zeigten.
Keinerlei Grund zum Nachgeben
Man muss auch verstehen, wie dies klar aus der Geschichte der 18 Jahre bisheriger "Friedensverhandlungen" hervorgeht, dass Israel unter seiner gegenwärtigen Regierung keinerlei Anlass sieht, von seinen Maximalforderungen Abstriche vorzunehmen. Die Amerikaner stützen Israel ja bedingungslos. Das Andauern der Verhandlungen für weitere 18 Jahre oder auch mehr würde nur die gegenwärtige Situation verlängern, welche es Israel nicht nur ermöglicht sondern erleichtert, seine territorialen Ziele durchzusetzen. Ziele, die man so umschreibenkann: die Aneignung eines Maximums von palästinensischem Land mit einem Minimum von Palästinensern.
Die Erleichterung, um es zu wiederholen, liegt darin, dass die Verhandlungen dazu dienen, die wahren Absichten der israelischen Rechtsregierungen, wie sie spätestens seit der Machtübernahme Ariel Sharons im Jahr 2001 dokumentierbar sind, zu verschleiern, um sie im Schutz dieser Tarnung desto ungestörter zu verfolgen.
Abbas am Rande des Abgrunds
Wenn man diese Umstände in Rechnung stellt, wird erkennbar, dass Abbas, der selbst seit 18 Jahren an den "Friedengesprächen" führend beteiligt ist, nicht zum Zweck einer Provokation Israels handelt sondern aus purer Verzweiflung. Seine innenpolitische Position unter den Palästinensern ist bekanntlich dadurch gegeben, dass er einer starken Konkurrenz von Seiten der Hamas ausgesetzt ist.
Früher oder später wird er die längst überfälligen Wahlen in Palästina durchführen müssen. Wenn es ihm nicht gelingt, irgendeinen Erfolg gegenüber Israel vorzuweisen, läuft er Gefahr, diese Wahlen gegenüber Hamas zu verlieren.
Erfolg oder Verlust der Glaubwürdigkeit
Der Hauptvorwurf, den Hamas ihm gegenüber erhebt, lautet, seine konzilianten Methoden gegenüber Israel würden nie zum Ziel führen sondern im Gegenteil Israel immer mehr Gelegenheit geben, arabisches Land an sich zu reissen. Hamas behauptet, mehr Konfrontation und weniger Konzilianz gegenüber Israel werde zu harten Kämpfen führen, jedoch Kämpfe seien letztlich der einzig glaubwürdige Weg, um sich den Zielen der Palästinenser zu nähern und nicht immer mehr Boden gegenüber Israel zu verlieren.
Wie immer Aussenstehende diese politische Alternative beurteilen mögen, für die palästinensische Bevölkerung ist klar, wenn Konzilianz sich als fruchtlos erweist, gewinnt die Linie von Hamas als einzige Alternative an Glaubwürdigkeit.
Angestrebt wird ein Hoffnungsschimmer
Das wissen auch Präsident Abbas und seine PLO-Mitarbeiter. Ein diplomatischer Erfolg vor der Uno, wäre ein kleiner Hoffnungsschimmer, der den Palästinensern der PLO möglicherweise erlauben würde, weiterhin auf ein diplomatisches Vorgehen zu setzen, weil vielleicht eine ausdrückliche Zustimmung der Uno zum Staat der Palästinenser die Verhandlungsposition der Palästinenser gegenüber den Israeli ein kleinwenig verbessern würde.
Die Verhandlungsposition der PLO ist heute ausserordentlich schwach, weil der sogenannte Vermittler, die USA, in Wirklichkeit jedes Mal, wenn es darauf ankommt (wenn es um blosse Worte geht, redet er manchmal, als ob er ein echter Vermittler wäre) reflexartig auf die Seite Israels tritt. Beispiele aus der jüngsten Zeit bieten das Nachgeben Obamas gegenüber Netaniyahu in der Frage des Siedlungsstops vom vergangenen Mai und nun wieder das geplante Veto der USA im Sicherheitsrat.
Die Hoffnungen von Abbas und seinen Anhängern in der PLO lassen sich dahin zusammenfassen: vielleicht würde eine künftig aktivere Unterstützung von Seiten der Uno der palästinensischen Regierung erlauben, etwas erfolgreicher gegenüber Israel in Verhandlungen einzutreten, bei denen das Übergewicht der Israeli mit ihren Beschützern, den Amerikanern, nicht mehr dermassen absolut wäre.
Damit könnten tatsächliche Verhandlungen möglich werden und an Stelle der bisherigen "Friedenverhandlungen" treten, die nur dazu gedient haben, die Landnahme der Israeli in den palästinensischen Gebieten zu tarnen und zu erleichtern.
Hoffen mit Abbas oder Kämpfen mit Hamas?
Es ist allerdings nur eine geringe Hoffnung. Doch Abbas und die Seinen befinden sich in einer Lage, in der sie sich gezwungen sehen, den geringsten Andeutungen von Lichtblicken ein Maximum an Hoffnung abzugewinnen. Ohne solche Hoffnungen steht den Palästinensern eine zweifellos blutige Zukunft bevor, die durch die Kampf- und Durchhalteparolen von Hamas und von Hizbullah bestimmt sein wird.