Keine US-Regierung hat Informanten, die den Medien Geheinisse stecken, je so scharf verfolgt wie das Weisse Haus unter Barack Obama. Es gehe, argumentiert die Bundesjustiz, um die Wahrung der nationalen Sicherheit – egal, wie nobel die Beweggründe der Angeklagten sein mögen. Gesetz sei Gesetz. Jetzt aber zeigt ein aktueller Fall exemplarisch, dass Amerikas Justiz mit ungleichen Ellen misst.
Es geht um David Petraeus, der nach einer glänzenden Armeekarriere, in der er während Einsätzen im Irak und in Afghanistan zum populärsten Vier-Sterne-General des Landes aufgestiegen war, CIA-Direktor wurde. Doch vor drei Jahren trat Petraeus nach einer ausserehelichen Affäre freiwillig von seinem Amt zurück. Er ging, bevor er gegangen wurde. „König David“, wie ihn Neider nannten, hatte einer Biografin, die auch seine Geliebte war, hoch geheime Unterlagen zur Einsicht überlassen – „aus Eitelkeit, aus Lust oder einer Mischung aus beidem“, wie die „New York Times“ mutmasste.
Derweil andere Informanten die volle Härte des Gesetzes zu spüren kriegten und heute hinter Gittern sitzen, geht David Petraeus zwar nicht straffrei aus, kommt aber äusserst glimpflich davon. Der Ex-General hat sich mit dem zuständigen Bundesgericht darauf verständigt, sich für ein minderes Vergehen als für Geheimnisverrat schuldig zu bekennen. Das erspart Petraeus, im lukrativen Sold einer New Yorker Kapitalbeteiligungsfirma, einen peinlichen Prozess sowie eine Gefängnisstrafe.
Zu Recht beklagt sich der Anwalt eines verurteilten Informanten in einem Brief an das US-Justizministerium über eine „unübersehbare Doppelmoral“ der Bundesbehörden. Denn in Washington DC ist es kein Geheimnis, dass hochrangige Regierungsvertreter den Medien Geheiminformationen stecken, wenn es ihren Zwecken dient. Zum exklusiven Zirkel der Exekutive könnte dereinst auch Petraeus wieder gehören. Anhänger und Sympathisanten sehen den 63-Jährigen als künftigen Verteidigungs- oder Aussenminister. Präsident werden will „König David“ angeblich nicht.