Die Kongresse häufen sich, die Experten referieren, doch eine Lösung zeichnet sich nicht ab. Auf einer prominent besetzten Konferenz in Frankfurt wurde über die Zukunft des Handels mit dem Iran diskutiert. Dabei spielte ein Deutschiraner als graue Eminenz und Strippenzieher eine Rolle.
Abwarten. Welchen Wert hat dieses Wort? Wie viel Mühe muss man auf sich nehmen, welche Entfernungen zurücklegen und welchen Betrag soll man dafür bezahlen, um drei Tage lang dieses Wort in verschiedenen Variationen zu hören? Es kommt darauf an, möchte man meinen. Im Falle des Iran jedoch spielen solche Überlegungen derzeit für Geschäftstüchtige offenbar keine Rolle.
Die Angst, etwas zu verpassen
Obwohl oder gerade weil man seit langem wartet und obwohl man weiss, dass das Warten noch lange dauert, darf man bestimmte Iranveranstaltungen nicht versäumen. Immerhin gilt es seit dem Atomabkommen vor zwei Jahren, so schnell wie möglich Fuß zu fassen in einem riesigen, Experten sagen sogar: in jeder Hinsicht einmaligen, Markt. So trafen sich Mitte November 350 einflussreiche Bankiers und Politiker, Manager und Minister, Botschafter, Universitätsprofessoren und natürlich auch Journalisten aus drei Kontinenten in Frankfurt. Kosten und Sicherheitsaufwand scheute man nicht, denn man könnte Wichtiges verpassen.
Das Frankfurter Iran-Treffen im Messezentrum war nicht das erste und es wird auch nicht das letzte seiner Art sein. Seit zwei Jahren, seit dem Atomdeal, finden solche Großveranstaltungen rund um die ganze Welt statt. Und einstweilen sind die Teilnehmer all dieser Kongressen nicht viel schlauer als vorher, wenn sie wieder nach Hause gehen. Ihre Erkenntnis umfasst ein einziges Wort. Und das lautet: Abwarten.
Doch wenn nicht genaue Antworten und wenn nicht im Kongresssaal direkt, so sind doch zumindest auf den Fluren brauchbare Hinweise zu erhaschen. Man ist für jeden Tipp dankbar, so klein er auch sein mag. Darauf hat sich momentan die Hoffnung vieler Teilnehmer solcher Kongresse reduziert.
Alle sind dabei, aber wobei?
Das Frankfurter Treffen fand in einem sehr noblen Rahmen statt. „Euro-Finance Week“ nannte sich die Veranstaltung. Und für sie hatten im Vorfeld viele Prominente geworben: Finanzminister Wolfgang Schäuble, der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier und der Chef der Europäischen Zentralbank Mario Draghi, um nur einige wichtige Namen zu nennen. Risiken der Bankenwelt mit den Schwerpunkten Iran und China sollten zur Sprache kommen. Aus dem Iran hatten sich ebenfalls Prominente angemeldet: der Präsident der Zentralbank, Botschafter und wichtige Strippenzieher in der Politik und Wirtschaft der islamischen Republik.
Der Trump-Effekt
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel wurde bei seiner letzten Reise in den Iran von zahlreichen Diaspora-Iranerinnen und -Irandern begleitet.
Bemerkenswert an der Veranstaltung war aber nicht nur die hochkarätige Besetzung, sondern auch der Veranstalter selbst. Gastgeber war der Deutsch-Iraner Nader Maleki oder genauer gesagt sein „Maleki Group – Financial Communication & Consulting“. Das machte den Schwerpunkt Iran für die Teilnehmer noch interessanter. Der 70-jährige Maleki ist in der Finanzmetropole Frankfurt altbekannt. Er kam vor 47 Jahren nach Deutschland, studierte hier Wirtschaft und ging zur Deutschen Bank. Er habe die Kommunikationsabteilung der Deutschen Bank ins Leben gerufen, behauptet der umtriebige Banker und bezeichnet sich selbst als „Vollblut-Kommunikator“, der die herausragendsten Persönlichkeiten zusammenbringen könne.
Maleki gründete vor fast 30 Jahren das „International Bankers Forum“, dessen Präsident er heute noch ist. Geschäfte anbahnen und Kontakte herstellen, dazu sieht er sich berufen: Er wolle dies bis zu seinem achtzigsten Geburtstag fortsetzen, denn es sei zugleich sein Hobby, sagt Maleki, dem man seine Siebzig kaum ansieht. Nach der Trennung von der Deutschen Bank gründete er in Frankfurt vor 20 Jahren sein eigenes Beratungsunternehmen „Maleki Group – Financial Communication & Consulting“ und veranstaltet seither regelmässig solche Kongresse.
Irangeschäft als Lebensaufgabe
Doch nun, praktisch im Rentenalter, scheint er einen neuen Fokus entdeckt zu haben, mit dem er wahrscheinlich sehr lange beschäftigt sein wird. Seit drei Jahren, seit Ende der Ahmadinedschad-Ära und dem Beginn der Präsidentschaft Hassan Rouhanis, ist der Iran zu Malekis Hauptaufgabe avanciert. Ein vielversprechendes und zugleich kompliziertes Geschäft, für das er sich gewappnet fühlt. Seine deutschen Kontakte, seine Verbindungen in die alte Heimat und vor allem sein Finanzwissen sind vor allem seit der Aufhebung der UN-Sanktionen gegen den Iran mehr denn je gefragt – von deutschen Investoren ebenso wie von den Mächtigen in Teheran. Maleki hat in den vergangenen drei Jahren mehrere Großveranstaltungen zur Zukunft des Irangeschäfts organisiert. Als die Maleki-Group vergangenen März eine ähnliche Konferenz in Teheran abhielt, kamen etwa zweitausend Teilnehmer. Und auch dort – wie jetzt in Frankfurt – ging es hauptsächlich um Zahlungsverkehr und Exportfinanzierung.
Diese Themen werden einstweilen auf der Tagesordnung bleiben. Warum man noch sehr lange mit Schwierigkeiten rund um den Zahlungsverkehr mit dem Iran zu tun haben wird, erfuhren die Teilnehmer des Frankfurter Kongresses gleich zu Beginn der Veranstaltung. Der freundlichen Eröffnungsansprache von Nader Maleki folgte die Klage des iranischen Botschafters in Berlin, Ali Majedi, die man in einer einzigen Frage zusammenfassen kann: Warum lassen sich die deutschen Finanzinstitute von Amerika vorschreiben, mit wem sie Geschäfte machen dürfen?
Reiner Wein für die Islamische Republik
Dann trat Rudi Bonte auf und zeigte jedem, der sehen wollte, die gewaltigen Berge, die in den vergangenen dreissig Jahren auf dem Weg hin zu einem normalen Zahlungsverkehr mit dem Iran aufgeschüttet worden sind. Der 66-jährige belgische Banker nennt sich Senior Advisor, ist aber in Wahrheit Bankenkontrolleur. Er sitzt in verschiedenen internationalen und europäischen Aufsichtsgremien wie etwa dem Basler Ausschuss, der europäischen Bankenaufsichtsbehörde, und er berät Finanzinstitute in Sachen internationale Geldwäsche.
Dass ein solcher Experte die Debatte des Kongresses eröffnete, zeigt die Achillesferse eines jegliches Geschäfts mit dem Iran. Trocken, sachlich und fundiert sagte Bonte allen Zuhörern im Grunde eines: „Beeilt euch nicht.“ Nur am Rande erwähnte er die schwarze Liste der „Financial Action Task Force on Money Laundering” (FATF), dem internationalen Gremium, das Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung bekämpfen soll, auf der neben Iran nur noch Nordkorea steht.
Grossbanken bleiben draussen
Auch deshalb meiden Grossbanken noch jegliches Iran-Geschäft. Selbst die Eröffnung eines ganz normalen Girokontos ist für einen iranischen Staatsangehörigen oft nicht möglich. Das ist nach der 1,5-Milliarden-Dollar-Strafe durch US-Behörden für die Commerzbank 2015 und der Millionenstrafe für die Deutsche Bank wegen Verstössen gegen die Iransanktionen auch verständlich. Noch sind iranische Banken mehrheitlich vom SWIFT-System für internationale Finanztransaktionen ausgeschlossen. Bei der Europäisch-Iranischen Handelsbank (Eihbank) in Hamburg können Kunden erst seit vergangenem März in eingeschränktem Umfang wieder Geld in den Iran überweisen oder Zahlungen von dort erhalten. Saman Bank, ein privates Finanzinstitut aus Teheran, stellte sich auf dem Frankfurter Kongress ausführlich vor und gab an, ebenfalls im Besitz von SWIFT- und BIC-Code zu sein. Doch eine Filiale im Ausland hat diese Bank noch nicht, die Transaktionen laufen über E-Banking. All das ist noch kein völliger Anschluss ans SWIFT-System. Senior Advisor Bonte hat mit seinem nüchternen „Wartet ab“ also den notwendigen Rat gegeben.
Ein alter Bekannter
Der Besuch des Iranischen Präsidenten Rouhani in Frankreich im Januar 2016 war angeblich ertragreich: 20 Kooperationsvereinbarungen kamen zustande.
Doch man kann nicht auf alles, was aus diesem Rat folgt, verzichten. Vor allem auf das nicht, was eine der schillerndsten Figuren der iranischen Aussenpolitik dieser Tage landauf landab formuliert. Ihr Name ist Hossein Mousavian. Mousavian nennt sich offiziell Nuklear- und Sicherheitsspezialist für den Nahen Osten und ist derzeit wohnhaft in Amerika. Vielen Deutschen ist er gut, oder besser gesagt schlecht, in Erinnerung. Denn Mousavian war zwischen 1990 und 1997 Botschafter des Iran in Berlin – und das war eine der turbulentesten Perioden der deutsch-iranischen Beziehungen. Viele verbinden seinen Namen mit dem so genannten Mykonos-Attentat, das damals viele Exiliraner ebenso erschütterte wie die Deutschen.
Zwei Jahre nach Mousavians Amtsantritt in Berlin wurden vier iranische Exilpolitiker im Auftrag des iranischen Geheimdienstes im Berliner Restaurant Mykonos erschossen. Mousavian und die iranische Botschaft kamen damals in der deutschen Presse im Zusammenhang mit dem Mordanschlag vor. Ausserdem hatte er mit den Folgen der Mord-Fatwa gegen den britischen Autor Salman Rushdi zu kämpfen. Als „Kriegserklärung gegen das Völkerrecht“ hatte der deutsche Bundestag Khomeinis Fatwa gegen den Autor der satanischen Verse verurteilt, alle zwölf damaligen EG-Staaten zogen aus Protest ihre Botschafter aus dem Iran ab. Wegen dieser Affären vermied Mousavian damals die Öffentlichkeit, die schlechte Presse liess ihm keinen Raum.
One-Man-Show
Doch diese Zeiten sind längst vorbei. In diesen Tagen agiert Mousavian in Washington wie ein One-Man-Public-Relation-Office, tritt bei Talkshows, Kongressen, Thinktank-Zirkeln und überall dort auf, wo es um Iran, Atom und den Nahen Osten geht. Und stets hat er Sensationelles mitzuteilen. In Frankfurt verglich er zunächst Trump mit Ahmadinedschad, dann wartete er wie immer mit einer Art Breaking News auf: Er habe Informationen darüber, dass Trump das Atomabkommen mit dem Iran nicht zerreissen werde, Trump sei schliesslich ein Geschäftsmann, vieles werde daher wenn nicht besser werden, so doch weitergehen wie bisher.
Doch genau dieses „Weiter so“ ist es, was die europäischen Investoren fürchten. Solange die grossen europäischen Finanzinstitute nicht in das Iran-Geschäft einsteigen, solange ein geordneter Zahlungsverkehr zwischen Iran und dem europäischen Ausland nicht existiert, sind Umwege unumgänglich und Vermittler unersetzlich. Und genau hier tauchen Auslandsiraner auf: Sie können eine unentbehrliche Rolle spielen. Nader Maleki hat es in Frankfurt bestens demonstriert.
Und das genau eine Woche nach der Wahl Donald Trumps, der bekanntlich ein entschiedener Gegner des Atomabkommens mit dem Iran ist und zu den Zeiten der Sanktionen zurückkehren will. Hat das Irangeschäft nach dieser Wahl überhaupt noch eine Zukunft? Was wollen, was können die europäischen, vor allem die deutschen Banken und Investoren machen, wenn sie nicht bereit sind, Trumps Iranlinie zu folgen?
Abwarten lautet einstweilen auch hier die Devise – genauso wie bei vielen anderen Themen, bei denen der Name Trump eine Rolle spielt.
Mit freundlicher Genehmigung Iran Journal