Der Fall des Raiffeisen-Chefs Guy Lachappelle, der über eine ausser Kontrolle geratene Liebesaffäre gestürzt ist, hat im vergangenen Monat in den Schweizer Medien einige Wellen geschlagen. In der NZZ waren zur Rücktrittserklärung des unglücklichen Bankers die folgenden Sätze zu lesen: «Lachapelle entschuldigte sich bei der Raiffeisengruppe, aber auch bei seinem ehemaligen Arbeitgeber, der Basler Kantonalbank. Besonders entschuldigte er sich bei seiner Familie und seiner Frau.»
Jeder versteht wohl, was mit diesen Entschuldigungs-Sätzen gemeint ist. Aber mit Verlaub, inhaltlich korrekt sind sie nicht. Der Banker kann sich für seine Fehler weder gegenüber seiner Bank noch bei seiner Frau und seiner Familie selbst entschuldigen. Er kann die Betroffenen nur um Entschuldigung oder Verzeihung bitten. Oder er könnte sagen: «Ich möchte mich entschuldigen.» Ob dieser Wunsch dann erfüllt wird, müssen die angesprochenen Personen oder Instanzen – eventuell spontan oder nach einer bestimmten Sühneleistung – entscheiden.
Mit dieser Sicht sind indessen nicht durchwegs alle Schrift- und Sprachgelehrten einverstanden. In einer Internet-Diskussion zum Thema schreibt ein Teilnehmer, das Verb «entschuldigen» habe nun einmal zwei verschiedene Bedeutungen: 1. von Schuld freisprechen, 2. «um Vergebung bitten».
Dem widerspricht ein anderer Experte vehement: «Ich entschuldige mich» sei fast so schlimm wie «Wir danken für ihr Verständnis». Die letztere Formel dürfte allen ÖV-Benützern im deutschen Sprachraum wohlvertraut sein. Auch hier gibt es eine logische Lücke: Kann man sich im Voraus für etwas bedanken, wenn man noch gar nicht weiss, ob die Angesprochenen tatsächlich das nötige Verständnis aufbringen?
Doch Sprache ist eben kein System mit unverrückbarer Logik und Bedeutung. Sie lebt und entwickelt sich, ebenso wie sich unsere Denk- und Ausdrucks- und Lebensgewohnheiten verändern. Die Wendungen «Ich entschuldige mich bei …» oder «Wir entschuldigen uns für …» sind im Zeitalter der auf öffentlichen Bühnen inflationär geforderten oder präventiv verbreiteten Demutsgesten und Schuldrituale selbst in seriösen Medien in den allgemeinen Sprachgebrauch eingeflossen. Es schadet aber nichts, wenn man sich bewusst ist, dass eigentlich nicht alles stimmt an dieser Formulierung. «Es tut mir leid» oder «Ich möchte mich entschuldigen» wäre gradliniger.