Es geht um den Tod, um die Frage: woher kommen wir und wohin gehen wir. Das ist keine Musik, die man so nebenbei hört. Stattdessen ist es jetzt am Opernhaus Zürich Musik, zu der getanzt wird. Aber keine Tanzmusik. Ballettchef Christian Spuck hat das Requiem choreographiert, 140 Personen stehen auf der Bühne. Die einen singen, die anderen tanzen.
«Vor etwa drei Jahren hatte ich mal so nebenher erwähnt, dass es mich interessieren würde, das Requiem zu choreographieren und szenisch umzusetzen. Ich hatte aber noch keine konkreten Vorstellungen, nur eine grosse Begeisterung für das Stück. Einen Tag später stand Andreas Homoki, mein Intendant, vor mir und sagte ’das machen wir natürlich.’ Damit war die Sache aufgegleist», erzählt Christian Spuck.
Klar war ihm zu Beginn nur eines: «Ich wusste, dass ich keine Geschichte erzählen möchte. Man hätte ja über diese Musik auch einen Überbau machen können, indem man eine Story erfindet. Mein Wunsch war, stattdessen eine Choreographie und eine Inszenierung aus der Musik heraus zu entwickeln.»
Zweifel und Vorsicht
Entstanden sind dabei 16 grosse Tableaus, abstrakte Bilder im Sinne einer optischen Interpretation der Musik. «Gleichzeitig hat mich der Gedanke nicht losgelassen, dass diese Musik eigentlich gar keine Verbildlichung und Inszenierung braucht, und dies hat mich wiederum in grosse Zweifel gestürzt, hat aber auch zu einem sehr vorsichtigen Umgang mit allem geführt, was auf der Bühne geschieht.»
Die Gesangssolisten haben zwar das Requiem schon verschiedentlich gesungen, aber nie in einer getanzten Version. In den ersten Proben herrschte noch eine gewisse Skepsis, die aber sehr schnell verflogen ist. Christian Spuck war es wichtig, jeden Mitwirkenden als individuelle Persönlichkeit auf der Bühne zu behandeln, egal ob jemand Sänger, Tänzer oder Chorist ist. Jeder und jede soll einbringen können, was ihm oder ihr das Requiem bedeutet. Es steht auch niemand im Vordergrund oder an der Seite.
Trauer und Hoffnung
Als eine Art Totentanz möchte Spuck das Requiem nicht verstanden wissen. «Der Begriff drängt sich auf, ja», räumt er ein. «Aber eigentlich bedeutet Totentanz etwas anderes. Das Requiem ist eher ein Tanz, der versucht, uns zu helfen, mit dem Tod umzugehen und damit, was der Tod bedeutet. Für mich ist das Requiem auch keine Todesmusik. Ich verstehe das Requiem als Trauermusik und als Hoffnung gebende Musik.»
Ist denn nun eine so grosse Produktion, mit Tanz, Gesang und Orchester schwieriger zu inszenieren als eine reine Choreographie? «Jede Produktion ist schwierig», entgegnet Spuck. «Sehr beglückend an den Requiem-Proben war aber die schnelle Annäherung der Sparten untereinander. Also die Sänger und Tänzer haben grossen Respekt voreinander gezeigt, sie haben sich gegenseitig beflügelt, und es hat mir grossen Spass gemacht, dass die beiden Sparten so perfekt ineinandergreifen.» Das sei auch für das gesamte Haus eine sehr positive Erfahrung, sagt Spuck, denn normalerweise haben Sänger und Tänzer nie miteinander zu tun, weil Ballett und Oper unterschiedliche Arbeitszeiten haben, die für das Requiem geändert wurden.
Kurz vor der Premiere blickt Christian Spuck noch einmal zurück. «Wir haben vieles ausprobiert und wieder verworfen. Weil es keine Geschichte gibt, hat man beim Requiem viel Freiheit und Freiheit bringt Zweifel mit sich. Dann zeichnet sich allmählich ein Ergebnis ab, aber ob es Gültigkeit hat, das werden wir sehen … Mir hat die Produktion jedenfalls viel Freude gemacht, trotz aller Zweifel und allem Hinterfragen.» Und dem Publikum soll dieses getanzte Requiem eine neue Sicht auf das Gehörte bieten.
Giuseppe Verdi, Messa Da Requiem
Koproduktion Oper Zürich und Ballett Zürich
Opernhaus Zürich
Uraufführung: 3. Dezember 2016