Mitch McConnell, Senator aus dem Bundesstaat Kentucky, gehört nicht zu den Sympathieträgern in der amerikanischen Politik. Es sei denn, einer ist ein eingefleischter erzkonservativer Republikaner und unverbesserlicher Trump-Anhänger. Unvergessen McConnells Ausspruch 2010 in einem Interview: „Das Wichtigste, was wir für Präsident Obama erreichen wollen, ist, dass er nur für eine Amtszeit Präsident bleibt.“ Als Mehrheitsführer der Republikaner im Senat tat der 76-Jährige alles, um Barack Obamas politische Agenda zu sabotieren – bei jeder Gelegenheit und um jeden Preis.
Deshalb überrascht, dass der ehrwürdige Senator nach der jüngsten Machtübernahme der Demokraten im Abgeordnetenhaus in einem Meinungsbeitrag für Fox News mehr Überparteilichkeit fordert: „Werden die Demokraten mit uns kooperieren, oder werden sie die Parteiinteressen vor die Anliegen des Landes stellen?“ Unverblümte Antworten seitens von Liberalen liessen nicht auf sich warten.
Innert Kürze trafen via Twitter über 29’000 Reaktionen bei Mitch McConnell ein, fast alle negativ. „Geh Würmer essen“, riet ein Absender dem Senator: „Du hast Demokraten den Einsitz in sämtlichen Kommissionen verwehrt und alle Informationen zurückbehalten.“ Ein anderer Twitterer bemerkte, McConnell sei ein Weltklasse-Experte darin, Parteiinteressen vor Landesinteressen zu stellen: „Ihre Heuchelei ist unglaublich.“
Dass Republikaner auch anders können, beweist Dan Crenshaw, ein frisch gewählter Abgeordneter aus Texas. Dies, nachdem sich Saturday Night Live (SNL), eine der populärsten Satiresendungen am amerikanischen Fernsehen, über sein Aussehen lustig gemacht hatte: „Er sieht aus wie ein Killer in einem Pornofilm.“ Crenshaw, ein Ex-Elitesoldat der Marineinfanterie, ist aufgrund einer Kriegsverletzung in Afghanistan einäugig und trägt eine Augenbinde.
Doch statt sich zu beschweren, drehte Dan Crenshaw den Spiess um und trat in der folgenden Sendung von SNL selbst auf. Er machte Witze über den Schauspieler, der ihn eine Woche zuvor attackiert hatte und rief am Schluss seines Auftritts, nun ganz ernsthaft, seine Mitbürgerinnen und Mitbürger dazu auf, allen Meinungsunterschieden zum Trotz versöhnlicher miteinander umzugehen. Er habe im Krieg, sagte er, viel Schlimmeres erlebt als dumme Witze und deshalb auch weder eine Entschuldigung noch eine Entlassung verlangt.
Er wolle, meint Crenshaw laut Washington Post, keinen „Beitrag zur nationalen Empörungskultur“ leisten: „Es macht den Anschein, als ob heute jeder nicht so sorgfältig formulierte verbale Fehltritt erbarmungslos bestraft werden muss, einschliesslich billiger Belehrungen und Forderungen nach einer Entschuldigung. Jeder, der nicht das nötige Mass an Empörung zeigt, wird entweder als Feigling oder als Befähiger schlechten Benehmens apostrophiert.“ Er gelange, so der Kriegsveteran, allmählich zum Schluss, dass normale, hart arbeitende und gemeinhin nicht beleidigte Amerikaner vor Erschöpfung seufzen würden – „täglich“.
Es ist eine Lektion in Sachen Détente, die sich auch Donald Trump und die amerikanische Presse zu Herzen nehmen könnten. Der Hausfrieden in Washington D. C. war schon gestört, bevor die amerikanische Regierung vor einer Woche dem Chefkorrespondenten von CNN die Akkreditierung entzogen hat. Was den Fernsehsender dazu bewog, das Weisse Haus und den Präsidenten wegen Verstosses gegen den ersten Zusatz der US-Verfassung zu verklagen, der unter anderem die Rede- und die Pressefreiheit im Lande garantiert.
CNN reagierte nicht zuletzt auch deshalb, weil Donald Trumps Pressestelle ein manipuliertes Video des Vorfalls verbreitet hatte, in dem der als angriffig bekannte Korrespondent und eine Praktikantin des Weissen Hauses verwickelt waren. Zwar ist es wahrscheinlich vergebliche Liebesmüh, zu versuchen, den Präsidenten und dessen Informationsstab zu wahrheitsgetreueren Aussagen zu bewegen: Der Fisch stinkt vom Kopf her.
Doch bei allem Selbstverständnis als unerschrockene Verfechter der vierten Gewalt sollten es die Medien vermeiden, durch auffälliges Verhalten selbst zu Akteuren der News zu werden und so Donald Trump und dessen Taktik in die Karten zu spielen, stets und überall die Basis zu befriedigen. Und Präsident Trump müsste aufhören, von den Medien, die er rituell als Volksfeinde und Verbreiter von Fake News beleidigt, jenen Respekt einzufordern, den er ihnen selbst nicht zollt.
Die traditionelle Presse ist vieles, aber für gewöhnlich weder blöd noch ignorant oder schrecklich, wie der Amtsinhaber im Weissen Haus behauptet. Meistens tut sie einfach ihren Job. Und was sagt der republikanische Repräsentant Dan Crenshaw? „Vielleicht sollten wir alle versuchen, im öffentlichen Diskurs wieder Höflichkeit walten zu lassen.“