Sie sind ein erfolgreicher Manager bei Galenica. Bei der NZZ sind Sie fehl am Platz. Die unverzeihliche Kabale um die versuchte Berufung des Blocher-Jüngers Markus Somm zum NZZ-Chefredaktor hat das ohne jeden Zweifel an den Tag gebracht.
Am 11. April findet die Generalversammlung der NZZ-Gruppe statt. Dann müssten Sie als Verwaltungsratspräsident bestätigt werden. Hinter den Kulissen versucht sich eine Gruppe namhafter Leute zu organisieren, die ihre Abwahl verlangen.
Nicht von ungefähr: Sie haben bewiesen, dass Ihnen jedes politische Gespür für die Marke NZZ und deren geistige Verwurzelung fehlt. Wer die urfreisinnige, urliberale und weltoffene NZZ dem Bannkreis des nationalkonservativen Vorkämpfers und Medien-Financiers Blocher oder eines seiner ideologischen Satrapen überantworten will, ist als NZZ-Verwaltungsratspräsident untragbar.
Mit dem katastrophal verunglückten Manöver, den von Blocher zunächst zum Chef der „Basler Zeitung“ beförderten Markus Somm als NZZ-Chefredaktor zu inthronisieren, sind Sie zu einer Belastung für die Zeitung geworden. Dass Sie nicht mit einem Aufschrei der Empörung aus den Reihen der NZZ-Leser und vor allem der NZZ-Redaktion gerechnet haben und über diese Reaktionen „erstaunt“ waren, wie Sie sagen, zeigt Ihre weltfremde Distanz zum Gedankengut des Liberalismus freisinniger Prägung und zur geistigen DNA der NZZ.
Die NZZ-Redaktion hat im Dezember in einer von 163 Mitgliedern unterzeichneten schriftlichen Stellungnahme mit aller wünschbaren Klarheit folgendes festgestellt: „Die Ernennung eines Exponenten nationalkonservativer Gesinnung würde in unseren Augen das Ende der Kultur einer liberalen und weltoffenen NZZ bedeuten.“ Ein vernichtenderes Urteil über die von Ihnen allen Ernstes beabsichtigte und eingeleitete Somm-Berufung ist kaum vorstellbar.
Oder könnte es sein, dass Ihnen durchaus bewusst war, was für ein politisches Signal mit der Einsetzung des Blocher-Jüngers Somm auf den Posten des NZZ-Chefredaktors ausgesendet würde? Und dass Sie ein solches Signal in nationalkonservativer, aggressiv EU-feindlicher Richtung (wie sie von den Blocher-hörigen Blättern „Weltwoche“ und „Basler Zeitung kultiviert wird) für durchaus wünschenswert hielten?
Vielleicht werden Sie vor den NZZ-Aktionären eine salbungsvolle Rede halten, etwas mea culpa einstreuen – mit dem Versprechen, dass derart atemberaubende politische Verirrungen nicht mehr vorkommen werden. Vielleicht werden Sie dann auch wiedergewählt werden. Doch Sie bleiben ein in seiner politischen Urteilsfähigkeit und Glaubwürdigkeit gegenüber der NZZ-Redaktion und weiten Teilen der liberalen NZZ-Leserschaft schwer angeschlagener VR-Präsident.
Es ist zu hoffen, dass Ihre Kritiker bis zum 11. April einen ernsthaften Gegenkandidaten aufbauen. Einflussreiche Namen werden herumgereicht. Das ist keine Verschwörung, das ist der legitime Versuch einer Selbstreinigung nach verwirrenden Anzeichen einer geistig-politischen Desorientierung.
Natürlich kann man sich auch fragen, welche Rolle die übrigen Verwaltungsräte bei dem Somm-Debakel spielten. Auch sie hätten voraussehen müssen, auf welchen politischen und publizistischen Gau das Somm-Manöver hinauslief. Aber Sie, Herr Jornod, tragen als Präsident dieses Gremiums selbstverständlich die Hauptverantwortung.
Dass der VR und die Unternehmensleitung im Geschäftsjahr 2014 nicht davor zurückschreckten, die eigenen Bezüge im Vergleich zum Vorjahr um insgesamt eine Million zu erhöhen – und dies bei einem Reinverlust von 30 Millionen – ist ebenfalls nicht geeignet, das Vertrauen in das oberste Leitungsgremium zu stärken.
Haben Sie die Grösse und gehen Sie! Tun Sie es im Interesse der noch immer prestigeträchtigsten Schweizer Zeitung! In solch schwierigen Zeiten muss ein Medienunternehmen von einer starken, respektierten und politisch trittsicheren Person geführt werden. Tun Sie es auch im Interesse der Leserinnen und Leser, die eine Zeitung mit einer verlässlichen, liberalen Führung wollen! Und tun Sie es im Interesse der Redaktorinnen und Redaktoren, Korrespondentinnen und Korrespondenten, die ihr Herzblut für eine Zeitung dieses Formats und dieser ehrwürdigen Tradition geben – und die mit ihrer denkwürdigen Protesterklärung entscheidend dazu beigetragen haben, dass der angezettelte Anschlag auf die liberale Seele der NZZ vorerst gescheitert ist!
Und tun Sie es im eigenen Interesse!