Der Durchmarsch der Schweizer Bankenlobby durchs Parlament ist ins Stocken geraten. In ihrem Sinne wurde der Antrag der SVP, das Traktandum «Ermächtigungsgesetz» zu streichen, abgeschmettert. Aber dann setzte sich die SP, unterstützt von der SVP, mit ihrem Ordnungsantrag durch, dass das Parlament zuerst wissen muss, was denn die Folgen einer allfälligen Annahme dieser Kapitulationsurkunde seien. Nur: Was heisst das genau?
Was sind mehr Informationen?
Die SP hat erfolgreich verlangt, dass das Parlament vom Bundesrat erfahren soll, welche Abmachungen mit den USA ausgehandelt wurden, sollte das «Ermächtigungsgesetz» angenommen werden. Im Prinzip sehr richtig, nur: USA und Bundesrat haben im Vorfeld klargestellt, dass genau diese Informationen nicht gegeben werden. Zu gross ist offenbar die Angst, dass bei einem Bekanntwerden der Kapitulationsbestimmungen das Schweizer Parlament Nein sagen müsste und würde. Was nun?
Die zuständige Kommission wird also den Bundesrat auffordern, «genauere Informationen» zu geben. Wenn nun der Bundesrat sagt: «Also das Wetter in Washington war bei den entscheidenden Verhandlungen sehr angenehm, Sonne und leichte Brise», ist das schon eine zusätzliche Information? Oder: «Der Unterhändler des US-Justizministeriums trug meistens eine blaue Krawatte, einmal hatte er sie sich mit Ketchup bekleckert.» Oder: «Unser Unterhändler Ambühl verlegte einmal seine Brille, die wurde dann aber in seinem Hotelzimmer aufgefunden.» Reicht das?
Gefährlicher Weg
Aber im Ernst. Eigentlich müsste der Bundesrat, will er nicht weiter Glaubwürdigkeit verspielen, klarstellen: Wir haben immer gesagt, dass wir nicht mehr sagen können, da stehen wir bei den USA im Wort. Oder wie der Ami sagt: that’s the deal. Oder aber, er schwört das Parlament auf Geheimhaltung ein, was nie funktioniert, und informiert. Das sickert dann raus, der Deal ist gestorben, und ein allgemeines Schuldverteilen fängt an. In erster Linie im Feuer stünde dann natürlich die SP, denn die hat ja zusätzliche Auskünfte verlangt.
Das wiederum muss die SP motivieren, auch schon nach der Information: «Der Verhandlungstisch war braun, wahrscheinlich Palisander, könnte aber auch Eiche gewesen sein», ihren Ordnungsantrag als gegenstandslos zu bezeichnen. Wer also meint, damit sei das Gesetz vom Tisch, ist schwer auf dem Holzweg.
Verwirrung stiften
Die Bankenlobby will, dass dieses Gesetz angenommen wird, das ist klar. Es salviert die oberen Bosse von jeder Übernahme von Verantwortung, während Mitarbeiter und Zulieferer legal verraten werden dürfen. Es ermöglicht, ohne sich strafbar zu machen, alle Informationen auszuliefern, die die USA haben möchten. Nun ist der schöne Plan aus dem Ruder gelaufen. Da hilft nur eins: Verwirrung stiften. Wo ist der Gegner, wo der Freund, wo verläuft die Kampflinie, worum geht es? Da werden die grossen Nebelwerfer angeworfen, und im Pulverrauch der Schlacht verschwindet alles.
Am Schluss, das ist eine ernsthafte Gefahr, schält sich dann ein Ja aus dem Getümmel, und niemand weiss genau, wieso. Die SP hat sich mit dieser erfolgreichen Forderung ohne Not in grosse Gefahr begeben, bei einer Ablehnung – oder einem Scheitern, weil die USA nicht mehr mitmachen wollen – als Schuldige dazustehen. Statt ihr Ziel zu befördern, das «Ermächtigungsgesetz» abzulehnen, steigt ihre Willigkeit, ihm zuzustimmen. Eben eine dieser typischen parteitaktischen Schlaumeiereien, die nie funktionieren.
Die Uhr tickt weiter
Mit der die ganzen Verhandlungen mit den USA überschattenden Schweizer Ungeschicklichkeit haben sich nun Regierung und Parlament in eine weitere Zwickmühle gebracht. Mehr darf der Bundesrat nicht sagen, will er nicht den USA einen Steilpass liefern, den Deal abzublasen. Das Parlament will ohne weitere Informationen nicht über den Deal abstimmen und würde ihn so ebenfalls beerdigen. Auch an Auswegen mangelt es.
Der Bundesrat sagt, es gäbe keinen Anlass für neuerliche Anwendung von Notrecht. Die FDP, die nicht weiss, was sie will, sagt, dass genau das der Ausweg wäre: Der Bundesrat soll doch selbst entscheiden und den schwarzen Peter nicht dem Parlament zuschieben. Für eine Oppositionspartei wäre das eine verständliche Haltung. Aber anscheinend gibt es doch zwei FDP-Bundesräte ...
Die grösste Gefahr
Verkantet, verkachelt, verkompliziert. Die besten Voraussetzungen, dass die eigentlichen Themen im Durcheinander verschwinden: Ein Rechtsstaat darf sich nicht erpressen lassen. Ein Rechtsstaat muss seine Souveränität verteidigen. Ein Rechtsstaat darf keine fremden und erst recht keine rückwirkenden Gesetze verabschieden. Und: Es gibt eine Alternative, um Schweizer Banken vor der tödlichen Klagedrohung der USA zu schützen. Die Schweizerische Nationalbank kann für Betroffene das Dollar-Clearing übernehmen. Wenn man den klaren Blick bewahrt, wird es wieder durchschaubar. Das Parlament muss Nein sagen, der Bundesrat darf kein Notrecht anwenden. Alles andere führt aus dem Nebel in den Abgrund.