Mit der Wahl von Nahles steht der ältesten deutschen Partei erstmals eine Frau vor. Herausgefordert wurde die 47-Jährige von der Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange, die den linken Flügel der SPD vertritt.
Auf Nahles entfielen am ausserordentlichen Parrteitag in Wiesbaden 414 Stimmen, auf Simone Lange 172 Stimmen. 38 Delegierte enthielten sich der Stimme.
Schlechter Start
Das Ergebnis bedeutet für Nahles eine Enttäuschung. Dass sie zur Nachfolgerin des unglücklichen Martin Schulz gewählt würde, stand zwar so gut wie fest. Das einzige Interesse konzentrierte sich darauf, wie viele Stimmen sie machen würde. Parteiintern hiess es, wenn sie nicht 75 Prozent der Stimmen erhielte, wäre dies ein schlechter Start für die neue Chefin.
Nach dem historisch schlechtesten Ergebnis der Sozialdemokraten bei den letzten Bundestagswahlen (20,5 Prozent) hat die neue Partei-Vorsitzende die Aufgabe, die SPD neu zu beleben. Nahles gilt als intelligent, energisch, rhetorisch stark und laut. Ihre Wahl gilt deshalb als gesichert, weil die einstige Juso-Chefin über eine breite Hausmacht verfügt. Auch auf dem rechten Flügel der SPD geniesst sie Sympathien.
„Wir packen das“
In ihrer kämpferischen Rede am Parteitag sagte Nahles, die AfD bedrohe die demokratische Grundordnung in Europa. Es sei hochgefährlich ihre Argumente nachzuplappern. „Diese Kräfte sind nicht das Volk, sie sind ein Angriff auf das Volk.“ Solidarität sei das, woran es am meisten fehle „in dieser globalisierten, neoliberalen, turbodigitalen Welt“.
Eine allein könne die Erneuerung nicht bringen. Sie forderte die Delegierten und Parteimitglieder auf, mit ihr zusammenzuarbeiten. „Wir packen das, das ist mein Versprechen. Man kann eine Partei in der Regierung erneuern, diesen Beweis will ich ab morgen antreten“, sagte Nahles.
Achtungserfolg für Simone Lange
Vor ihr sprach die Herausfordererin und Aussenseiterin Simone Lange. „Wir müssen die Herzen der Menschen wieder erreichen“, erklärte sie. „Es fehlt uns an Glaubwürdigkeit. Die SPD braucht eine echte Erneuerung.“ Für Simone Lange haben sich 95 der 7741 Ortsvereine ausgesprochen. Kritiker werfen ihr vor, ihre politischen Ziele und Vorstellungen seien wenig fassbar. Sie fordert die Abschaffung von Hartz IV und eine Entspannungspolitik gegenüber Russland. „Mich zu wählen, bedeutet Mut“, sagte Lange, die auf den Sympathiebonus der Aussenseiterin hofft. Für Simone Lange bedeutet das Ergebnis einen Achtungserfolg.
Selbst Juso-Chef Kevin Kühnert, der eine Kampagne gegen die Grosse Koalition geführt hatte, hatte sich für Nahles ausgesprochen. Kühnert befürchtet jedoch, dass es ihr nicht gelingen werde, die Partei zu erneuern. Die Gefahr bestehe, sagte er, dass man in einem halben Jahr vergessen habe, dass man sich erneuern wolle.
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid glauben nur 24 Prozent der Deutschen, dass Nahles Erfolg haben wird.
(J21)