Wir können beruhigt sein. Die wohlhabende Schweiz existiert. Anders als gewisse Medien verkünden: Alarmismus – «weil es uns immer schlechter geht» – ist fehl am Platz.
Auch wenn aus der linken Ecke die mediale Thematisierung drohender Armut für viele Schweizerinnen und Schweizer zur Tagesaktualität gehört – da wird oft auf hohem Niveau gejammert. Oder aus knallhartem Kalkül: Beackert man gezielt den Boden, um das Wachstum der invasiven Pflanze staatlicher Zahlungen und Subventionen zu fördern? Wird mit dieser Einstellung (absichtlich) übersehen, dass schweizerische Qualitäten wie Eigenverantwortung, Arbeitsethos und Leistungswille immer mehr verloren gehen?
Die gefühlte Wirklichkeit
Wer nur noch steigende Wohnungsmieten und Krankenkassenprämien im Fokus hat, vor Altersarmut warnt und kolportiert, dass Kinderkriegen für Familien unerschwinglich werde, ist auf einem Auge blind. Denn gleichzeitig steigen die Flugfrequenzzahlen rasant: Man fliegt wieder in die Ferien. Die Verkaufszahlen für immer grössere und schwerere SUVs der Kategorie Defender oder ähnlich schnellen in die Höhe. Abends, nach Büroschluss, quellen Bars und Restaurants in Zürich über – bis aufs Trottoir hinaus. Von den Menschenschlangen vor den Kiosken am Freitag (Jackpot Swisslos Interkantonale Landeslotterie) nicht zu reden. Die Arbeitslosigkeit verharrt auf rekordtiefem Niveau.
Natürlich sind gemäss zuverlässigen Erhebungen nur 20 Prozent der Rentnerinnen und Rentner «arm» und nur 15 Prozent der Erwachsenen verzichten gemäss Familienbarometer auf Kinder. Doch – am besten sichtbar bei der Tagesschau von Fernsehen SRF – Negativmeldungen beherrschen generell das Programm, für positive Nachrichten reicht dann die Zeit nicht mehr. Da wird ein unzulängliches Bild der Welt verbreitet. Die Wirklichkeit ist viel nuancierter.
Wie geht es dem Mittelstand tatsächlich?
Gemäss Analysen des Bundesamtes für Statistik beträgt der Anteil des Mittelstandes seit zwanzig Jahren immer zwischen 55 und 60 Prozent der Bevölkerung. «Der Mittelstand wird dabei definiert als die Haushalte, deren Einkommen zwischen 70 und 150 Prozent des mittleren Einkommens (Median) liegen» (NZZ). Wer darüber liegt, gilt als einkommensstark, darunter spricht man von einkommensschwach. Der Mittelstand umfasst also eine grosse Mehrheit unserer Bevölkerung.
Wer in die Trickkiste greift und die statistische Kurve der Krankenkassenprämien (86 Prozent Teuerung) jener der Löhne (29 Prozent Teuerung) innert 25 Jahren (1997–2022) gegenüberstellt, vergleicht Äpfel mit Birnen. Denn natürlich lässt sich das so nicht vergleichen. Der Anteil der Krankenkassenprämien am Gesamtlohn beträgt durchschnittlich 5,5–7,0 Prozent (Mittelwert), im Extremfall 9,0 Prozent (Zahlen des BFS/BAG).
Grosse Besorgnis herrscht auch betreffend Wohnungsmieten. Es stimmt, dass diese überdurchschnittlich steigen. Allerdings ist dabei zu beachten, dass Renovationskosten immer stärker ins Gewicht fallen und dass die Flächenbeanspruchung pro Person von Jahr zu Jahr steigt. Auch die hohen Scheidungsraten haben diesbezüglich ihren Preis. Wichtiges Detail: Die meisten Statistiken, die veröffentlicht werden, beziehen sich auf sogenannte Angebotsmieten, d. h. es werden nur die zur Vermietung ausgeschriebenen Objekte erfasst. Bekanntlich lebt der weitaus grösste Teil der Bevölkerung seit längerer Zeit in ihrer Wohnung.
Da geht oft vergessen, dass die Mieten für Wohnungen in den vergangenen rund 15 Jahren dank sinkender Referenzzinssätze tendenziell eher sanken (erst seit 2023 steigt dieser wieder an). Als der Mieterverband diese Koppelung damals durchsetzte, wurde applaudiert. Als es dann plötzlich in die andere Richtung ging, begann das grosse Jammern.
Gefühlte Armut
Ob es Schweizerinnen und Schweizern tatsächlich so schlecht geht, darüber weiss Melanie Häner, Leiterin des Bereichs Sozialpolitik am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern, Bescheid: Sie meint dezidiert: «Wahrnehmungen, nicht Daten prägen die Einstellung gegenüber Umverteilung» (Sonntags-Zeitung). Dies steht in krassem Gegensatz zu den vielen schockierenden Medienberichten der letzten Monate, die alle ein Bild der grossen finanziellen Not im reichsten Land der Welt vermitteln.
Es sind vor allem die Gewerkschaften, die nicht müde werden, die sich immer weiter öffnende Lohnschere zuungunsten der tiefen Löhne anzuklagen. Auch dies trifft nicht zu. Wie die Lohnstrukturerhebung des Bundesamts für Statistik zeigt, haben die tiefsten 10 Prozent der Löhne seit 2008 sogar leicht aufgeholt.
Weniger arbeiten – mehr (oder weniger?) verdienen
Was bei der medial verbreiteten Armutsdebatte gern vergessen geht, ist die Tatsache, dass Schweizerinnen und Schweizer «im Vergleich zum Jahr 2010 14 Arbeitstage weniger arbeiten pro Jahr, das sind fast ganze drei Wochen» (NZZ am Sonntag). Bei einer neutralen Beurteilung der Einkommenssituation in der Schweiz darf zudem nicht vergessen gehen, dass sich rund 40 Prozent der Arbeitnehmenden vor dem offiziellen Pensionsalter (65) pensionieren lassen, nicht wenige gar mit 55 Jahren. Es soll gar jene geben, die genau darauf achten, dass sie nicht mehr und nicht weniger verdienen als notwendig, um von den staatlichen Subventionen für Kindertagesstätten oder Krankenkassenprämien maximal zu profitieren.
Wenn wir schon bei dieser Thematik sind: Gerade dieser Trend des Immer-weniger-Arbeitens – möglich, weil man genug verdient – ist ein wichtiger Grund des immer fühlbarer werdenden Arbeitskräftemangels.
Schweiz – stabiles Land
Die Beispiele zeigen, was Daten aussagen. Unsere Lebensbedingungen sind nicht nur gut (vergleichsweise sehr gut), sie sind auch ausserordentlich stabil.