Fussball, heisst es, sei die schönste Nebensache der Welt. Für Ex-Fifa-Chef Sepp Blatter war der Sport laut dem Titel einer Biografie „Mission & Passion“ zugleich. Vom Geschäft gar nicht zu reden, ist Fussball immer auch Politik. Wozu sonst die Stadien voller Nationalflaggen schwenkender Fans oder vor Stolz triefende Berichte heiserer Länderspiel-Reporter?
Mitunter ist Fussball sogar Weltpolitik. So der Fall vergangene Woche, als sich Syrien in Teheran die Chance bewahrte, an der Weltmeisterschaft 2018 in Russland teilzunehmen. Dies dank eines Treffers von Omar al-Somah in der letzten Minute der Nachspielzeit des Spiels gegen Iran, dessen Regierung Präsident Bashar al-Asad im Krieg gegen Aufständische und Krieger des Islamischen Staates (IS) unterstützt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Weiterer politischer Nebenaspekt: Iranerinnen war es im Gegensatz zu syrischen Anhängerinnen nicht gestattet, das 2:2 im Azadi-Stadion vor Ort zu verfolgen. Sie mussten draussen bleiben – und demonstrierten mutig. Das Zitter-Remis ermöglicht es den Syrern, im Oktober gegen die australischen „Socceroos“ anzutreten und sich im Falle eines Sieges gegen einen weiteren Gegner entweder aus Nord- und Zentralamerika oder der Karibik endgültig für die WM zu qualifizieren – ein schwieriger, aber kein unmöglicher Weg für eine Nation, in der seit sechs Jahren Krieg herrscht.
Auf jeden Fall wurde nach dem Spiel gefeiert: überschwänglich in Damaskus von Anhängern Bashar al-Asads, mit harmlosen Böllern und Raketen, nachdenklicher in Beirut von syrischen Exilanten. Trotzdem, volksverbindend wird Syriens Fussball auf Dauer nicht sein, auch wenn sich einzelne Spieler des Nationalteams einst als Sympathisanten der Rebellen geoutet haben.
Auch das Lob des Regimes für die Helden des Rasens ist durchsichtig, hat Damaskus doch die Mannschaft zuvor nicht nachhaltig unterstützt. Dem amerikanischen Fernsehsender ESPN zufolge haben Regierungskräfte seit Beginn des Bürgerkriegs, neben Zehntausenden von Aufständischen und Zivilisten, auch 38 Spieler der obersten beiden Ligen getötet. Nationale Aussöhnung sieht anders aus. Und am Ende gilt für leidgeplagte Syrer in Anlehnung an Friedrich Schiller eher: „Der (Fussball-) Wahn ist kurz, die Reu ist lang.“